Finanzen, Wirecard Sammelklage

Ist im Betrugsfall Wirecard eine Art "Sammelklage" möglich?

Über Nacht vom DAX-Wunderkind zum Insolvenzfall: Nach Bekanntwerden einer Bilanzfälschung kollabierte der Zahlungsdienstleister im Juni 2020 innerhalb weniger Tage. Mit ihm die Einlagen der Aktionäre. Das Ende von Wirecard. Eine Sammelklage wie in den USA sieht das deutsche Recht zwar nicht vor, Geschädigte können jedoch auf ein sogenanntes Musterverfahren setzen.
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Vom Aufstieg und Absturz eines Überfliegers

Die märchenhafte Erfolgsgeschichte des 2018 in den Deutschen Aktienindex aufgenommenen Finanztechnologiekonzerns Wirecard war im Juni 2020 endgültig vorbei. Nachdem es bereits ab 2008 immer wieder Vorwürfe von Bilanzmanipulation und Zweifel an der Seriosität des Unternehmens gegeben hatte, erwiesen sich bei Prüfung des Jahresabschlusses 1,9 Milliarden Euro als Scheinbuchungen. Nur wenige Tage später war Wirecard pleite.

Die nachfolgenden Ermittlungen ergaben, dass die verantwortlichen Vorstände die Bücher mit gefälschten Zahlen, fingierten Umsätzen und Kreislaufbuchungen aufgeblasen hatten. Vorstandschef Markus Braun und zwei weitere Wirecard-Manager müssen sich ab dem 8. Dezember 2022 unter anderem wegen Bilanzfälschung und Bandenbetrug vor dem Strafgericht verantworten. Ebenfalls massiv beschuldigt ist der frühere Wirecard-Vorstand Jan Marsalek, der allerdings seit Bekanntwerden des Skandals untergetaucht ist.

Ähnlich dramatisch gestaltet sich die zivilrechtliche Aufarbeitung des Betrugs: Banken, Sozialkassen und andere Gläubiger haben Ansprüche über 3,3 Milliarden Euro geltend gemacht. Etwa 22.000 ehemalige Anleger, die Wertpapiere wie Aktien und Anleihen hielten, fürchten den Verlust von rund sieben Milliarden Euro. Der Insolvenzverwalter konnte mit dem Verkauf der werthaltigen Unternehmensteile jedoch nur eine Milliarde Euro erlösen.

Im Fall Wirecard wird eine Art "Sammelklage", ein Musterverfahren angestrengt

Wirecard Sammelklage
Klagemöglichkeiten gegen Wirecard MATTIL & Kollegen

Dennoch sollten Geschädigte ihre Ansprüche gegen verschiedene Verantwortliche geltend machen: gegen die Vorstände, die Aufsichtsräte und auch die Wirtschaftsprüfer. Für die Wirecard-Abschlussprüfungen war in den letzten Jahre die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young (EY) zuständig. Ihr wird vorgeworfen, die Existenz von Gewinnen aus dem Drittpartnergeschäft in Asien nicht ordnungsgemäß kontrolliert zu haben. Dabei geht es um Luftbuchungen von 1,9 Milliarden Euro. EY hätte sie viel früher erkennen und die Testate verweigern müssen. Dem Börsenbetrug wäre so bereits vor Jahren ein Ende gesetzt worden, Aktionäre und Anleihebesitzer hätten vor Schaden bewahrt werden können.

Für die Vielzahl der bereits eingereichten und noch zu erwartenden Klagen sieht das Kapitalanlegermusterverfahrensgesetz (KapMuG) die Möglichkeit vor, ein sogenanntes Musterverfahren zu führen. Stellvertretend für alle Geschädigten stellt ein Gericht in diesem Musterverfahren fest, ob zum Beispiel ein Vorstand oder eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ihre Pflichten verletzt haben. Ein solcher Musterentscheid ist fortan für alle Gerichte bindend, die über gleich gelagerte Klagen entscheiden.

Ist eine Pflichtverletzung im Musterverfahren festgestellt, muss anschließend jeder einzelne Geschädigte seinen persönlichen Verlust beziffern, nachweisen und gerichtlich einklagen. Ein Musterverfahren dient also der Klärung, ob Beklagte ihre Pflichten verletzt haben und schadensersatzpflichtig sind. Aus einem Musterentscheid alleine ergeht an Geschädigte noch kein Geld.

Ein Musterverfahren wird es auch gegen EY, Markus Braun und andere Beteiligte geben. Das Landgericht München I hat am 14.03.2022 einen sogenannten Vorlagebeschluss erlassen, wonach das zuständige Bayerische Oberste Landesgericht über die Eröffnung dieses Musterverfahrens zu entscheiden und einen Musterkläger zu bestimmen hat. Mit Bekanntmachung des Musterklägers im Klageregister des elektronischen Bundesanzeigers haben geschädigte Wirecard-Anleger, die ihre Schadensersatzansprüche bislang nicht eingeklagt haben, sechs Monate Zeit, sich ebenfalls im Klageregister anzumelden. Hierfür sieht das KapMUG "Anwaltszwang" vor, das heißt der Anmelder muss sich durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen.

Verjährung verhindern, Schadensersatzansprüche aufrecht erhalten

Die Anmeldung im Klageregister mitsamt der entsprechenden Begründung und Bezifferung wird die Münchner Kanzlei MATTIL & Kollegen vornehmen. Die Sozietät ist spezialisiert auf Bank- sowie Kapitalmarktrecht und hat seit Einführung des KapMuG viel Erfahrung gesammelt in vergleichbaren Verfahren, die sie erfolgreich für Anleger und Aktionäre zum Abschluss bringen konnte.

Da das Musterverfahren noch nicht eröffnet ist, kann derzeit zwar noch keine Anmeldung erfolgen. Die Einleitung des Musterverfahrens hat zudem zur Folge, dass derzeit laufende Klagen im Zusammenhang mit Wirecard vorerst ausgesetzt sind. Dennoch können Anleger und Anleihegläubiger jetzt und auch während des Verfahrens jederzeit individuelle Klage einreichen, um an einem möglicherweise geschlossenen Vergleich teilzuhaben.

Denn der im Musterverfahren zu erwartende Musterentscheid ist bindend für die befassten Gerichte. Sie müssen dem Urteil, zu dem das Bayerische Oberste Landesgericht kommen wird, folgen.

Und noch aus einem zweiten Grund ist Geschädigten dringend angeraten, entweder individuelle Klage einzureichen oder sich am Musterverfahren zu beteiligen: Ihre Ansprüche auf Schadensersatz unterliegen der Verjährung. Die Frist hat bereits 2020 mit Bekanntwerden des Betruges begonnen. Durch die Anmeldung kann sie bis zum Abschluss des Musterverfahrens gehemmt werden.

Interessenten sollten sich unverbindlich bei MATTIL & Kollegen melden. Die Kanzlei wird ein Angebot unterbreiten, anhand dessen ein Mandat erteilt werden kann.

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Peter Mattil - Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht
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