Unternehmer, Deutschland

Die Fortune adoptiert: Renate Reimann-Haas und Wolfgang Reimann

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picture alliance / MAXPPP | Sebastien JARRY

Die Sippe der Reimanns gehört zu den reichsten Familien in Deutschland. Kaum jemand kennt sie.

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Unter all den komplizierten Verwandtschaftsbeziehungen deutscher Familienunternehmen ist die der Reimanns wohl die komplexeste: Die Dynastie teilt sich auf in drei Sippen, die von neun Geschwistern gebildet werden. Wohlgemerkt sind all diese Geschwister Adoptivkinder.

Albert Reimann junior (1898-1984), Mitinhaber des Chemieunternehmens Benckiser in Ludwigshafen, glühender Antisemit, Anhänger und Profiteur des Nationalsozialismus, adoptierte 1958 vier Kinder seiner Schwester Else Dubbers, 1967 zwei Kinder seines Neffen Otto Andersen und dazwischen, 1965, drei leibliche Kinder aus seiner langjährigen außerehelichen Affäre mit der Stenotypistin Emilie Landecker. Seine eigene Ehe blieb kinderlos.

Wie man ein Vermögen aufteilt und zusammenhält

1984 wurde jedem der neun Sprösslinge der gleiche Erbanteil am Familienunternehmen zugesprochen. Das hatte sein Portfolio nach dem Zweiten Weltkrieg von Industriechemikalien längst auf Haushalts- und Industriereiniger (unter anderem Calgon, Kukident, Calgonit, Sagrotan) verlagert und so den immensen Reichtum der Sippe begründet.

Während ihre fünf Geschwister sich mittlerweile ausbezahlen ließen und eigenen Geschäftsmodellen nachgehen, halten die Geschwister Renate Reimann-Haas und Wolfgang Reimann aus der erwähnten außerehelichen Beziehung und die Brüder Stefan und Matthias Reimann-Andersen mit ihren insgesamt zehn eigenen Kindern heute zusammen rund 90 Prozent des Vermögens. Es wird von der luxemburgischen JAB Holding verwaltet, seine Höhe schätzt das Manager Magazin auf aktuell 30,5 Milliarden Euro. Damit besetzen die Reimanns Platz vier der deutschen Milliardärs-Charts.

Ein echter Gemischtwarenladen

Die Investmentholding JAB wird seit vierzig Jahren maßgeblich gemanagt von Peter Harf, der sich selbst schon mal als „Legende“ bezeichnet. Auch wenn es insbesondere im Jahr 2022 sehr schlecht lief und das Defizit sich auf eine Rekordhöhe von 4,5 Milliarden Dollar auftürmte, so mehrte und diversifizierte Harf das Clanvermögen insgesamt beträchtlich.

Zur JAB gehören Café- und Imbissketten, die Getränkekonzerne Keurig Dr Pepper (Schweppes) und JDE Peet’s (Jacobs, Senseo) sowie der Duft- und Kosmetikkonzern Coty. Den gewichtigsten Anteil am Portfolio bildet aber das Geschäft mit Vierbeinern: Die Reimanns machen in Tierkliniken und -versicherungen.

Die Milliardärsfamilie ohne Gesicht

Trotz der Dagobert Duck’schen Vermögensverhältnisse ist Protzen bei den Reimanns verpönt, es herrscht bürgerliche Bescheidenheit und penible Distanz zur Öffentlichkeit. Bis heute gibt es so gut wie keine Fotos, kaum Internet-Einträge und keine Interviews der Familienmitglieder. In der JAB Holding soll sogar ein Kodex existieren, den jeder Nachkömmling mit dem 18. Geburtstag zu unterzeichnen habe und der unter anderem vorschreibe, dass ein Reimann das Rampenlicht meiden solle wie der Teufel das Weihwasser.

Dementsprechend wenig ist aus dem Privatleben der Akteure bekannt. Von Renate Reimann-Haas weiß man, dass sie 1978 an der Uni Heidelberg in Chemie promovierte und am dortigen Max-Planck-Institut für medizinische Forschung arbeitete. Sie ist verheiratet, hat drei Kinder und spielt in einer Big Band Klarinette. 2006 hat sie, wie ihr Bruder Wolfgang auch, aus steuerlichen Gründen die österreichische Staatsbürgerschaft angenommen.

Wolfgang Reimann promovierte 1985 ebenfalls an der Uni Heidelberg in organischer Chemie, arbeitete eine Zeitlang in Basel, ist verheiratet und Vater dreier Söhne.

Die Bürde der Firmenhistorie

Gemeinsam mit den Brüdern Reimann-Andersen gründeten Renate Reimann-Haas und Wolfgang Reimann im Jahr 2005 die gemeinnützige Benckiser Stiftung Zukunft. Unter dem Druck der Enthüllungen, wie eng Vater und Großvater Reimann in den Nationalsozialismus verstrickt waren und wie sehr das Vermögen des Familienkonzerns auf der Ausbeutung von Zwangsarbeitern basierte, wurde die Stiftung 2019 in die Alfred Landecker Foundation überführt.

Der Fokus der heutigen Stiftungsarbeit liegt auf dem Holocaust-Gedenken, der Stärkung von Demokratie und dem Schutz von Minderheiten. Mit der Aufarbeitung der nationalsozialistischen Verbrechen ihrer Ahnen beauftragten die Reimanns den Wirtschaftshistoriker Paul Erker. Er veröffentlichte seine Forschungsergebnisse 2023 in dem Band „Die chemische Fabrik Joh. A. Benckiser im Nationalsozialismus“.

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