Unter ihrer Leitung entwickelte sich TRUMPF zu einem internationalen Technologieführer im Bereich Werkzeugmaschinen und Lasertechnik. Das Unternehmen mit Sitz in Ditzingen beschäftigt weltweit über 18.000 Mitarbeitende und erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2022/23 einen Umsatz von rund 5,4 Milliarden Euro.

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Herkunft und Ausbildung
Nicola Leibinger-Kammüller wurde 1959 im US-amerikanischen Wilmington (Ohio) geboren. Sie ist die Tochter des Maschinenbauers Berthold Leibinger, der das Familienunternehmen TRUMPF maßgeblich prägte. Die Familie zog bald nach Deutschland zurück, wo Nicola in Ditzingen bei Stuttgart aufwuchs.
Nach dem Abitur 1978 am Gymnasium Gerlingen studierte sie Germanistik, Anglistik und Japanologie. Ihr Weg führte sie an die Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, das Middlebury College in Vermont (USA) sowie an die Universität Zürich. Ihre Promotion in Philologie war der akademische Abschluss eines geisteswissenschaftlich geprägten Bildungswegs, der später ihre Kommunikationsstärke und kulturelle Sensibilität in der Unternehmensführung prägte.
Einstieg ins Familienunternehmen TRUMPF
1985 trat Leibinger-Kammüller in das Familienunternehmen ein – zunächst im Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Bereits wenige Jahre später übernahm sie Verantwortung im Ausland: Von 1988 bis 1990 war sie für die TRUMPF Corporation in Japan tätig. Diese Erfahrung stärkte ihr Verständnis für internationale Märkte und Unternehmenskulturen.
1992 übernahm sie die Leitung der Berthold Leibinger Stiftung, deren Ziel die Förderung von Wissenschaft, Kultur und Kirche ist. 2003 wurde sie Mitglied der Geschäftsführung von TRUMPF. Seit 2005 führt sie das Unternehmen als Vorsitzende der Geschäftsleitung – und als erste Frau an der Spitze des Maschinenbaukonzerns.
Führung mit langfristiger Perspektive
Unter ihrer Leitung entwickelte sich TRUMPF zu einem internationalen Technologieführer im Bereich Werkzeugmaschinen und Lasertechnik. Das Unternehmen mit Sitz in Ditzingen beschäftigt weltweit über 18.000 Mitarbeitende und erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2022/23 einen Umsatz von rund 5,4 Milliarden Euro.
Leibinger-Kammüller gilt als strategisch denkende Führungspersönlichkeit, die Innovationskraft und wirtschaftliche Nachhaltigkeit vereint. Die Digitalisierung industrieller Prozesse, der Ausbau der Photonik sowie die Förderung von Fachkräften sind zentrale Themen ihrer Agenda.
Während der Finanzkrise 2008 traf sie eine ungewöhnliche Entscheidung: Anstatt Personal abzubauen, investierte die Eigentümerfamilie rund 75 Millionen Euro in die Weiterbildung der Beschäftigten – ein klares Bekenntnis zu langfristiger Verantwortung gegenüber den Mitarbeitenden.
Gesellschaftliches Engagement
Nicola Leibinger-Kammüller versteht Unternehmertum nicht als rein wirtschaftliche Funktion, sondern als gesellschaftliche Aufgabe. Ihr soziales Engagement spiegelt sich in zahlreichen Funktionen außerhalb von TRUMPF wider.
Sie ist Mitglied des Senats der Max-Planck-Gesellschaft, engagiert sich im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft und gehört dem Kuratorium der Robert Bosch Stiftung an. Zudem ist sie Vorsitzende des Freundeskreises des Deutschen Literaturarchivs Marbach – ein Ausdruck ihrer geisteswissenschaftlichen Herkunft und ihrer Verbundenheit mit der Kultur.
Darüber hinaus engagiert sie sich in der Evangelischen Landeskirche und unterstützt kirchliche Bildungsinitiativen. Ihre Haltung ist dabei stets von einer diskreten, nicht öffentlichkeitswirksamen Art des Helfens geprägt.
Politisches Wirken und Einfluss
Obwohl sie kein politisches Amt innehat, ist Nicola Leibinger-Kammüller eine angesehene Stimme in gesellschaftspolitischen Debatten. Ihre Nähe zur Politik zeigte sich unter anderem in ihrer Rolle als Mitglied des Herausgeberrats der Wochenzeitung Die Zeit. Auch mit der Bundesregierung pflegt sie seit Jahren engen Austausch, ohne dabei parteipolitisch gebunden zu sein.
In Interviews äußert sie sich regelmäßig zu Themen wie Industriepolitik, Bildung, Digitalisierung und Innovationsförderung – stets sachlich, argumentativ fundiert und mit einem Blick für gesamtgesellschaftliche Auswirkungen. Ihre Aussagen basieren auf unternehmerischer Praxis, nicht auf ideologischen Positionen.
Während der COVID-19-Pandemie war sie Teil des sogenannten „Expertenteams Wirtschaft“ der nordrhein-westfälischen Landesregierung unter Ministerpräsident Armin Laschet. In dieser Funktion brachte sie Perspektiven aus dem Mittelstand in die politische Entscheidungsfindung ein.
Familie und Privatleben
Seit 1984 ist Nicola Leibinger-Kammüller mit Mathias Kammüller verheiratet, der selbst viele Jahre als Chief Digital Officer in der TRUMPF-Geschäftsleitung tätig war. Das Ehepaar hat vier Kinder.
Obwohl sie ein Unternehmen mit mehreren Milliarden Euro Jahresumsatz führt, lebt sie zurückgezogen und meidet das Rampenlicht. In Interviews betont sie regelmäßig, wie wichtig ihr die Familie als Rückzugsort und moralisches Korrektiv ist. Ihr Führungsstil sei auch durch das Familienleben geprägt – Entscheidungen würden mit Augenmaß und Verantwortung getroffen.
Vermögen und Unternehmensanteile
Nicola Leibinger-Kammüller hält rund 29,4 Prozent der Anteile an der TRUMPF-Gruppe. Das Familienunternehmen befindet sich vollständig in Familienbesitz, aufgeteilt auf drei Gesellschafterlinien. Aufgrund der positiven Geschäftsentwicklung wird ihr persönliches Vermögen auf einen dreistelligen Millionenbetrag geschätzt. Konkrete Zahlen sind nicht öffentlich bekannt, da das Unternehmen nicht börsennotiert ist.
Trotz ihres wirtschaftlichen Einflusses tritt sie bescheiden auf und vermeidet öffentliche Zurschaustellung von Wohlstand. In Reden und Auftritten lenkt sie den Fokus konsequent auf Themen wie Bildung, Technikförderung und gesellschaftlichen Zusammenhalt – nicht auf die eigene Person.
Technologie als gesellschaftlicher Auftrag
Leibinger-Kammüller sieht technologische Innovation nicht als Selbstzweck, sondern als Beitrag zur Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen. Lasertechnologie von TRUMPF findet heute Einsatz in der Medizintechnik, der Mobilitätsindustrie und der Energiewirtschaft. Dabei steht für sie nicht allein die Effizienz im Vordergrund, sondern auch die Verantwortung für die Folgen von Technologieeinsatz.
In Reden hebt sie regelmäßig hervor, dass Fortschritt ethisch eingehegt werden müsse. Sie spricht sich für eine „Technologie mit Sinn“ aus – ein Begriff, der für ihre ganzheitliche Betrachtung wirtschaftlicher Entwicklungen steht.
Internationale Ausrichtung
TRUMPF erwirtschaftet mehr als 80 Prozent seines Umsatzes im Ausland. Unter der Führung von Nicola Leibinger-Kammüller wurde die globale Präsenz weiter ausgebaut, insbesondere in den USA, China und Asien. Dabei bleibt der Hauptsitz in Ditzingen das Zentrum der strategischen Steuerung und Forschung.
Ihre internationale Erfahrung – insbesondere aus der Zeit in Japan – prägt ihren Führungsstil bis heute. Interkulturelles Verständnis, Bescheidenheit im Auftreten und Disziplin im Handeln gelten als wiederkehrende Merkmale ihrer Kommunikation.
Bedeutung im deutschen Mittelstand
Nicola Leibinger-Kammüller steht beispielhaft für eine Generation von Unternehmerinnen, die Leistung mit Haltung verbinden. Ihr Name fällt regelmäßig, wenn es um die Zukunft des deutschen Mittelstands geht – einer Wirtschaftsform, die oft als Rückgrat der deutschen Industrie bezeichnet wird.
In einer Landschaft, die zunehmend von globalen Großkonzernen wie Tesla oder Technologieführern wie Elon Musk beeinflusst wird, steht TRUMPF für eine traditionsbewusste, aber innovationsfreudige Alternative. Diese Haltung trägt maßgeblich die Handschrift ihrer Vorsitzenden.