Leonid Michelson, CEO von Novatek, führte Russlands zweitgrößten Erdgasproduzenten zum Erfolg. Sein unternehmerisches Geschick und seine internationalen Partnerschaften prägen die globale Gasindustrie nachhaltig.

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Leonid Michelson, geboren 1955 in Kaspiysk, Dagestan, ist einer der mächtigsten Unternehmer Russlands. Den zweitgrößten Erdgasproduzenten des Landes, das Energieunternehmen Novatek, hat er als Gründer und CEO zu einem globalen Akteur in der Erdgasindustrie gemacht. Michelsons geschätztes Vermögen liegt laut Forbes bei rund 27,4 Milliarden Dollar, womit er zu den reichsten Menschen der Welt zählt.
Vom Ingenieur zum Milliardär
Michelsons Karriere begann ganz unaufgeregt, aber bereits mit einer klaren technischen Ausrichtung. Nach seinem Abschluss in Ingenieurwesen an der Hochschule für Bauwesen und Architektur in Kuibyschew (heute Samara) begann er seine Karriere als Projektleiter im Bereich Pipelinebau. Diese frühe Erfahrung in der Infrastrukturentwicklung legte den Grundstein für sein späteres Engagement in der Energiebranche. In den 80er-Jahren übernahm er bereits Führungspositionen in staatlichen Unternehmen, die sich auf die Entwicklung von Erdöl- und Erdgasprojekten spezialisiert hatten.
Nach dem Zerfall der Sowjetunion nutzte Michelson die Chancen der Privatisierung und investierte in verschiedene Energieprojekte. 1994 gründete er das Unternehmen, das später zu Novatek werden sollte. Durch eine Kombination aus strategischen Akquisitionen, dem Ausbau der Infrastruktur und dem Aufbau von Partnerschaften formte Michelson Novatek zu einem Schlüsselakteur in der globalen Erdgasbranche.
Novatek: der Weg zum Erfolg
Novatek ist heute der größte unabhängige Erdgasproduzent Russlands und rangiert weltweit auf Platz zwei hinter dem staatlich kontrollierten Gazprom mit einem Umsatz von 18,5 Milliarden US-Dollar (2021). Jährlich produziert Novatek rund 75 Milliarden Kubikmeter Gas und exportiert hauptsächlich nach Europa und Asien. Dabei setzte Michelson von Anfang an auf Wachstum durch innovative Gasförderung und -verarbeitung, insbesondere in den riesigen Gasfeldern der arktischen Region Russlands.
Ein Wendepunkt in der Entwicklung des Unternehmens war das Yamal LNG-Projekt, das 2017 in Betrieb genommen wurde und 2021 etwa 19,8 Millionen Tonnen LNG exportierte. Yamal LNG, ein Joint Venture mit internationalen Partnern wie Total und China National Petroleum Corporation (CNPC), ist eines der größten Flüssigerdgasprojekte der Welt. Es ist ein Paradebeispiel für Michelsons Fähigkeit, internationale Partnerschaften zu schmieden und komplexe Energieprojekte erfolgreich umzusetzen, trotz schwieriger geopolitischer Bedingungen und Sanktionen.
Geopolitik und Herausforderungen
Michelson war stets bestrebt, Novatek von politischen Spannungen abzukoppeln, doch die Sanktionen gegen Russland seit der Annexion der Krim haben auch sein Unternehmen getroffen. Trotz der wirtschaftlichen und politischen Herausforderungen hat Michelson es geschafft, Novatek erfolgreich weiterzuentwickeln und in internationalen Märkten Fuß zu fassen. Ein wichtiger Faktor dabei war seine enge Zusammenarbeit mit asiatischen Investoren, insbesondere aus China, das ein zentraler Absatzmarkt für Novateks Flüssigerdgas ist.
Michelsons engste Partnerschaft besteht mit Gennady Timchenko, einem der einflussreichsten Oligarchen Russlands, der ebenfalls Anteile an Novatek hält. Diese Verbindung hat zu Vorwürfen geführt, dass Michelson wirtschaftlich und politisch zu stark vernetzt ist. Dennoch konnte er Novatek als wirtschaftlich robustes und finanziell erfolgreiches Unternehmen positionieren.
Jenseits des Business
Da Michelson als äußerst zurückhaltend gilt, tritt er nur selten in den Medien auf. Über sein Privatleben ist ebenfalls wenig bekannt, außer dass er verheiratet ist und zwei Töchter hat.
Bekannt ist allerdings Leonid Michelsons Liebe zur Kunst. Er ist Mitbegründer der V-A-C Foundation, einer Organisation, die sich der Förderung zeitgenössischer Kunst widmet und zahlreiche Ausstellungen in Russland und im Ausland unterstützt. Michelson hat durch diese Stiftung einen erheblichen Beitrag zur Kulturszene geleistet.
Kontroversen
Wie viele russische Oligarchen ist Michelson nicht frei von Kontroversen. Die Nähe zu politischen Machtstrukturen in Russland und die Rolle, die sein Unternehmen bei internationalen Energieprojekten spielt, haben immer wieder zu Diskussionen geführt. Vor allem die Sanktionen, die gegen Novatek und seine Partner verhängt wurden, haben gezeigt, wie eng wirtschaftliche Interessen und geopolitische Spannungen verwoben sind. Dennoch hat Michelson stets betont, dass seine unternehmerischen Entscheidungen auf ökonomischen und nicht auf politischen Überlegungen basieren.
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Auswirkungen von Novateks arktischen Projekten auf die Umwelt. Der Abbau von Erdgas in sensiblen Regionen steht im Widerspruch zu globalen Klimazielen, was Umweltorganisationen regelmäßig auf den Plan ruft. Michelson verteidigt jedoch die Notwendigkeit von Gas als Übergangsbrennstoff in einer Zeit des globalen Wandels hin zu erneuerbaren Energien.
Leonid Michelsons zukünftige Rolle in der Erdgasindustrie
Trotz der Herausforderungen, die mit Sanktionen und Umweltbedenken verbunden sind, bleibt Michelson ein dominanter Akteur in der globalen Erdgasindustrie. Mit seiner Vision für die Zukunft der Energieversorgung Russlands und seiner Fähigkeit, internationale Partnerschaften zu knüpfen, hat er Novatek zu einem der größten Energieunternehmen weltweit gemacht.
Leonid Michelsons Vermächtnis wird wahrscheinlich mit der Entwicklung des arktischen Energiepotenzials Russlands und seiner Rolle in der globalen Gasversorgung verbunden bleiben. Sein pragmatischer Ansatz, gepaart mit der Fähigkeit, auf globalen Märkten zu agieren, hat ihn zu einem der einflussreichsten Unternehmer seiner Zeit gemacht. Trotz seiner persönlichen Zurückhaltung ist sein Einfluss in der Energiebranche unbestreitbar und wird auch in den kommenden Jahrzehnten zu spüren sein.
Fazit
Leonid Michelson ist ein Visionär in der globalen Energieindustrie, der trotz geopolitischer Unsicherheiten und Umweltbedenken ein beeindruckendes Geschäftsimperium aufgebaut hat. Sein unternehmerisches Geschick und seine Fähigkeit, internationale Partnerschaften zu formen, haben Novatek zu einem globalen Player gemacht. Sein Einfluss reicht weit über Russland hinaus.