Unternehmer, Wirtschaft

Maurice Brenninkmeijer: Chef einer Sippe, die kaum einer kennt und einer Marke, die alle kennen

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picture alliance / PRO SHOTS | Remko Kool

Maurice Brenninkmeijer ist Oberhaupt eines Familienunternehmens, das trotz etlicher Eigenheiten eindrücklichen Erfolg hat.

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Zu den reichsten Europäern zählt der sehr zurückgezogen lebende Clan der Brenninkmeijers. Ihre Cofra Holding AG mit Sitz im schweizerischen Zug verwaltet ein Vermögen von mehr als 30 Milliarden Euro. Zum Portfolio gehören die Private-Equity-Gesellschaft Bregal mit der Juwelierkette Embassy, die Immobilieninvestmentgesellschaft Redevco und das Anthos Fund & Asset Management. Am bekanntesten ist jedoch die Marke, die für viele Konsumenten als Synonym für günstige Mode steht: C&A.

Familienoberhaupt der Textildynastie und seit 2011 Chairman der COFRA Holding ist Maurice Brenninkmeijer. 1960 in Manchester als drittes von sechs Kindern geboren, fügt er sich nahtlos in das Familieunternehmen ein: Sein Großvater Ludger war in den 1930er- und 1940er-Jahren C&A-Chairman in Amsterdam, Vater Bernard war im Top-Management des Familienkonzerns in den USA und Großbritannien tätig. Als Maurice Brenninkmeijer sechs Jahre alt war, zog die Familie nach New York. Im Alter von zwölf Jahren kehrte er nach London zurück und legte dort sein Abitur ab. Zu Beginn der 1980er-Jahre absolvierte er ein Trainee-Grundlagenjahr im Familiengeschäft in Rotterdam, bevor er zum Studium der Wirtschaftswissenschaften mit Schwerpunkt Marketing bei den Jesuiten an der renommierten Georgetown University in Washington D.C. aufbrach.

Verzopfte Tradition – wobei Zöpfe eher unerwünscht sind

Maurice Brenninkmeijer folgte damit den sehr speziellen Regeln der Familie. In die Führung des Clans dürfen nur eine unbekannte Anzahl von Familienaktionären aufsteigen. Anteilseigner kann nur werden, wer das unternehmenseigene Trainingsprogramm durchläuft und sich danach aufgrund individueller Verdienste und Wertvorstellungen für eine Führungsposition empfiehlt. Er wird von der Gruppe der Eigner eingeladen, kann Unternehmensanteile kaufen und eine tragende Rolle einnehmen – allerdings nur bis zum Alter von 55. Dann müssen Führungspersönlichkeiten aussteigen und im Alter von 63 Jahren auch ihre Anteile verkaufen – sie werden nicht einmal an die eigenen Kinder vererbt.

Außerdem muss sich jeder Brenninkmeijer in leitender Position zum Katholizismus bekennen, dem traditionellen Glauben der Familie. Ein weiteres Kuriosum: Frauen sind überhaupt erst seit wenigen Jahren als Anteilseignerinnen und Führungskräfte zugelassen. 2016 stieg Johanna Brenninkmeijer als erste Frau in den „Inner Circle“ auf.

Von Handelsreisenden zu Konzernlenkern

C&A ist das Modehaus, das das Lebensgefühl von Millionen Verbrauchern über Jahrzehnte geprägt hat: Die schmucklosen Filialen sind in allen größeren Städten Deutschlands vertreten, 98 Prozent der Menschen kennen die Marke. Der große Erfolg hat vergleichsweise bescheidene Wurzeln. Der Aufstieg der Brenninkmeyers (mit y) begann im westfälischen Mettingen, als einige arme Bauern im 16. Jahrhundert auf die Idee kamen, sich als wandernde Leinenhändler („Tödden“) im benachbarten Holland zu verdingen.

Zwei Brüder Brenninkmeyer ließen sich 1841 dann mit einem festen Kleidungsgeschäft im holländischen Sneek nieder und benannten es nach ihren Vornamen: C&A – Clemens und August. Ende des 19. Jahrhunderts existierten bereits zehn Geschäfte in den Niederlanden, im Jahr 1911 folgte der erste deutsche Ableger in Berlin. Seither ist die Firma zu einem der größten Imperien auf dem europäischen Modemarkt geworden und dabei immer in Familienhand geblieben – mittlerweile in sechster Generation.

Geschäftssinn und Abgründe

Gelungen ist diese Entwicklung durch einige bahnbrechende Geschäftsideen. War Mode Anfang des 20. Jahrhunderts jener kleinen, wohlhabenden Gesellschaftsschicht vorbehalten, die Geld für maßgeschneiderte Kleidung hatte, so „demokratisierten“ die Brenninkmeijers den Markt: Durch Kleidung in Konfektionsgrößen, produziert in Massenfertigung, dafür erschwinglich. Bereits ab dem Jahr 1890 vertrieb das Haus Mode „von der Stange“.

In den 60er-Jahren hingen an diesen Stangen, zum Ärger der älteren und zum Entzücken der jungen Generation, dann auch Miniröcke und Bikinis. Wohlgemerkt ging es hausintern deutlich weniger beschwingt zu. Erfuhr die Geschäftsleitung von einer Liaison zwischen Angestellten, stellte sie das Paar vor die Wahl: Heirat, Trennung – oder Kündigung.

Den deutlichsten Abgrund zwischen religiösem Selbstverständnis und tatsächlichem Gebaren offenbarte die Dynastie Brenninkmeijer allerdings während des NS. Der deutsche Zweig der Familie profitierte von der Arisierung, erwarb billig neun enteignete jüdische Geschäfte und revanchierte sich im Gegenzug bei Reichswirtschaftsminister Hermann Göring durch Geschenke, unter anderem wertvolle Gemälde. C&A ließ Zwangsarbeiterinnen in Berlin für sich schuften und beutete Juden aus, die im Ghetto von Łódź gefangen gehalten wurden.

2011 beauftragte die Familie den Wirtschaftshistoriker Mark Spoerer, Professor an der Universität Regensburg, die Firmenverwicklung mit dem „Dritten Reich“ wissenschaftlich aufzuarbeiten. 2016 erschien Spoerers “C&A: Ein Familienunternehmen in Deutschland, den Niederlanden und Großbritannien. 1911-1961“.

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