Leonard Lauder verbindet in seiner Person eindrucksvollen unternehmerischen Erfolg und großen persönlichen Einfluss mit Verantwortungsbewusstsein gegenüber Gesellschaft und Kunst. Dabei ist er sich und den Werten des Familiennamens Lauder stets treu geblieben – als Unternehmer aus Leidenschaft, der seinen Wohlstand als Verpflichtung zum Wohle anderer versteht.
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Leonard Lauder mit Elizabeth Hurley (l.) und Victoria Beckham © picture alliance / Everett Collection | John Nacion/Everett Collection
Leonard Lauder, geboren 1933 in New York City, ist der älteste Sohn der legendären Kosmetikpionierin Estée Lauder. Schon als Jugendlicher half er seiner Mutter, die 1946 in der Familienküche ihr kleines Beauty-Geschäft aus der Taufe hob. Während Estée Cremes anrührte und mit Charme vermarktete, sorgte Vater Joseph für Buchhaltung und Produktion – ein Start-up im wahrsten Sinne des Wortes, in dem Sohn Leonard als Laufbursche aufwuchs. Dieses familiäre Umfeld prägte ihn früh.
Herkunft und Bildungshintergrund
Lauder entstammt einer jüdischen Unternehmerfamilie in New York und wuchs gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Ronald auf. Er besuchte die renommierte Wharton School der University of Pennsylvania und studierte anschließend an der Columbia Business School in New York. Seinen Master-Abschluss machte er nicht mehr – nach einigen Semestern zog es ihn in die Praxis. „Ich habe durch meinen Vater mindestens genauso viel gelernt wie im Hörsaal“, schrieb er später augenzwinkernd in seinen Memoiren. Stattdessen absolvierte Lauder eine dreijährige Dienstzeit als Leutnant in der US-Marine. Diese militärische Erfahrung schärfte sein Führungsverständnis und gab ihm, wie er selbst sagt, einen „neuen Blick auf die Welt“. Kaum zurück im Zivilleben, stieg er 1958 mit 25 Jahren offiziell in das Familienunternehmen ein.
Aufstieg im Kosmetik-Imperium
In den folgenden Jahrzehnten machte Leonard Lauder aus dem kleinen Familienbetrieb einen globalen Kosmetikkonzern. 1972 wurde er Präsident von Estée Lauder, 1982 übernahm er den Posten des CEO von seiner Mutter und leitete die Firma bis 1999 operativ. Unter seiner Führung wuchs der Jahresumsatz von unter 1 Million US-Dollar auf Milliardenhöhe: Als Lauder die Firma übernahm, setzte sie rund 800.000 Dollar um, heute sind es über 15 Milliarden Dollar jährlich. Lauder trieb die Expansion konsequent voran. Er baute eine „ausgewogene Markenfamilie“ auf, wie er es nannte, indem er neue Marken schuf (etwa Clinique) und trendige Kosmetikfirmen zukaufte. In den 1990er-Jahren holte er Kultmarken wie MAC, Bobbi Brown, Aveda oder La Mer unter das Dach von Estée Lauder. Dabei verfolgte er einen unorthodoxen Ansatz: „Lasst unsere Marken ruhig miteinander wetteifern!“, lautete sein Motto. Tatsächlich tritt die Estée Lauder Companies bis heute kaum als Einheit in Erscheinung – die verschiedenen Labels agieren eigenständig, sodass Konsumenten oft gar nicht merken, dass hinter ihren Lieblingsprodukten derselbe Konzern steht. Dieses Prinzip des internen „Geschwisterwettbewerbs“ zahlte sich aus. 1996 wagte Lauder den Gang an die New Yorker Börse, was er im Rückblick als einen der besten Entschlüsse bezeichnet: Die Transparenz habe das Unternehmen „smarter, härter und wettbewerbsfähiger“ gemacht. Durch Börsengeld finanziert und getrieben von Lauders Gespür für Trends entwickelte sich Estée Lauder zu einem der weltweit führenden Hersteller von hochwertiger Kosmetik mit über 25 Marken in mehr als 130 Ländern.
Dieser Erfolg hat Leonard Lauder selbst zum Multimilliardär gemacht. Laut Forbes wird sein Vermögen 2024 auf etwa 15,1 Milliarden US-Dollar geschätzt, womit er zur Topriege der reichsten Amerikaner zählt. Die Familie Lauder insgesamt kontrolliert ein Vermögen von über 20 Milliarden Dollar und hält nach wie vor bedeutende Anteile am Unternehmen. Leonard Lauder, der 2009 den Vorsitz des Verwaltungsrats abgab, bleibt der Firma als Chairman Emeritus und selbsternannter „Chief Teaching Officer“ eng verbunden. Bis ins hohe Alter schaut er regelmäßig im Büro vorbei, um der nächsten Managergeneration sein Wissen weiterzugeben – ein Rollenwechsel vom entschlossenen CEO zum geduldigen Mentor.
Familie und Lebensstil
Privat ist Leonard Lauder ebenfalls eng mit seiner Firma und deren Mission verflochten. 1959 heiratete er Evelyn Hausner. Das Paar galt über fünf Jahrzehnte als Power-Duo in New Yorker Gesellschaftskreisen. Evelyn Lauder arbeitete im Unternehmen mit und machte sich vor allem einen Namen als Vorkämpferin im Kampf gegen Brustkrebs – sie initiierte in den 1990er-Jahren die weltweite Pink-Ribbon-Kampagne und gründete die Breast Cancer Research Foundation (BCRF). Leonard und Evelyn hatten zwei Söhne: William und Gary. William Lauder trat in die Fußstapfen seines Vaters und übernahm Führungsrollen im Familienkonzern (heute ist er Aufsichtsratschef), während Gary als Investor tätig wurde. Evelyn Lauder verstarb 2011; vier Jahre später heiratete Leonard Lauder erneut. Seine zweite Frau, Judy Ellis Glickman, ist Fotografin und wie ihr Mann philanthropisch engagiert.
Trotz seines fortgeschrittenen Alters von 91 Jahren führt Lauder ein aktives Leben. Seit langem residiert er an der Upper East Side in Manhattan, unweit der großen Museen und Kulturinstitutionen, die er großzügig unterstützt. Sein Lebensstil ist geprägt von Kunst, Kultur und gesellschaftlichem Engagement – eher diskret als extravagant. Bekannt ist er vor allem für seine leidenschaftliche Sammelleidenschaft: Schon als Kind begann er mit dem Sammeln von Postkarten, später erwuchs daraus eine der bedeutendsten Privatkunstsammlungen der Welt.
Kunstmäzen und Wohltäter
Als Kunstliebhaber und Mäzen hat Leonard Lauder in den USA und international deutliche Spuren hinterlassen. Seit den 1970er-Jahren ist er dem New Yorker Whitney Museum of American Art eng verbunden – zunächst als Mitglied des Ankaufskomitees, später als langjähriger Vorstandsvorsitzender. Lauder unterstützte das Whitney nicht nur mit Rat und Tat, sondern auch finanziell und mit Kunstwerken aus seiner Sammlung. 2008 machte er mit einer Spende von 131 Millionen US-Dollar die größte Einzelzuwendung in der Geschichte des Museums. Auch das Metropolitan Museum of Art profitierte von Lauders Großzügigkeit: 2013 übergab er dem „Met“ eine Sammlung von 81 Meisterwerken des Kubismus – darunter Gemälde von Picasso, Braque, Léger und Gris – im Wert von über einer Milliarde US-Dollar. Fachleute bezeichneten diese Schenkung als eine der bedeutendsten Privatsammlungen, die je in ein Museum eingebracht wurden.
Neben der Kunst liegen Lauder gesellschaftliche und medizinische Anliegen am Herzen. Gemeinsam mit seinem Bruder Ronald gründete er 1998 die Alzheimer’s Drug Discovery Foundation (ADDF), nachdem ihre Mutter Estée an Alzheimer erkrankt war. Bis heute führt Leonard Lauder die Stiftung als Vorstandsvorsitzender und unterstützte sie 2023 mit einer Großspende von 200 Millionen US-Dollar – der bislang größten Zuwendung im Kampf gegen Alzheimer, die das Brüderpaar gemeinsam geleistet hat. Im Gedenken an Evelyn engagiert sich Leonard Lauder zudem für die Brustkrebsforschung: So half das Ehepaar bei der Einrichtung des Evelyn H. Lauder Breast Center am Sloan Kettering Hospital in New York und Leonard ist Ehrenvorsitzender der von Evelyn gegründeten BCRF. Auch die Bildung fördert Lauder großzügig – etwa mit 125 Millionen Dollar für ein Stipendienprogramm der University of Pennsylvania im Jahr 2022. Über all diese Aktivitäten hinaus nimmt Lauder Einfluss als Mitglied einflussreicher Gremien: Er gehört dem Council on Foreign Relations an und ist Treuhänder des Aspen Institute, was seinen Stellenwert als vernetzter Elder Statesman der USA unterstreicht.
Politisches Engagement
Anders als sein Bruder Ronald, der zeitweise als republikanischer Politiker und Diplomat in Erscheinung trat, hält sich Leonard Lauder von Ämtern fern – im Hintergrund allerdings mischt er durchaus mit. Der bekennende Demokrat zählt zu den finanzkräftigen Unterstützern seiner Partei: In Wahlkämpfen spendete er großzügig für demokratische Kandidaten im ganzen Land. Medienberichten zufolge war er einer der wohlhabendsten Förderer von Joe Bidens Präsidentschaftskampagne 2020. In New York unterstützte er 2022 sichtbar die Demokratin Kathy Hochul bei deren erfolgreicher Kandidatur als Gouverneurin. Solche Aktivitäten verlaufen meist abseits der Öffentlichkeit, doch in politischen Insiderkreisen genießt Lauder als spendabler und gut vernetzter Fürsprecher Ansehen. Sein Einfluss gründet sich weniger auf lautstarke Statements als auf stillem Lobbying und strategischer Philanthropie.
Führungsstil und besondere Aspekte
Manager und Unternehmer auf der ganzen Welt können von Leonard Lauders Erfahrungen lernen. Ein bemerkenswerter Grundsatz Lauders lautet: „Wir sind kein Familienunternehmen – wir sind eine Familie im Geschäft.“ Mit diesem Credo macht er klar, dass professionelle Unternehmensführung für ihn über familiären Befindlichkeiten steht. Tatsächlich achtete Lauder darauf, dass die Estée Lauder Companies trotz Familieneinfluss stets externe Expertise einbezogen und transparente Strukturen gewahrt wurden. Den Börsengang 1996 nutzte er, um Verantwortung gegenüber Aktionären und Mitarbeitern gleichermaßen zur Pflicht zu machen. Seine Philosophie unterscheidet sich damit deutlich von fragwürdigen „Familienclans“ in der Wirtschaft – er betonte einmal pointiert, dass sich ihre Perspektive auch von der der Enrons dieser Welt unterscheidet.
Lauder gilt als strategischer Denker mit Gespür für Marktpsychologie. So prägte er 2001 den Begriff des „Lipstick Index“, einer unkonventionellen Kennzahl, die besagt, dass in wirtschaftlichen Krisenzeiten der Absatz von Lippenstiften steigt, weil Konsumentinnen sich kleine Luxusgüter gönnen statt großer Anschaffungen. Auch wenn diese Theorie inzwischen als nicht belastbar gilt, zeugt sie von Lauders kreativem Blick auf Konsumtrends. Intern war er für seinen inklusiven Führungsstil bekannt: Er hörte seinen Mitarbeitern zu, förderte Talente und setzte auf regelmäßige Präsenz im Unternehmen – vom Büro bis ins Labor, um nah bei den Teams zu sein.
Natürlich blieb auch die Familie Lauder nicht vor Herausforderungen verschont. Jüngst, in den 2020er-Jahren, sorgte ein öffentlich gewordener Disput zwischen Lauders Sohn William und seiner Nichte über die künftige Ausrichtung des Unternehmens für Schlagzeilen. Die Meinungsverschiedenheiten mündeten 2024 darin, dass beide ihre operativen Funktionen niederlegten und ein externer Manager die Firmenleitung übernahm. Leonard Lauder selbst hatte sich zu diesem Zeitpunkt bereits aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen, doch der Vorfall zeigt, wie komplex Nachfolge und Führungsverteilung in einem Dynastie-Unternehmen sein können. Mit seiner jahrzehntelangen Erfahrung und Weisheit dürfte Lauder senior der neuen Generation dennoch beratend zur Seite stehen – getreu seiner Rolle als Chief Teaching Officer.