Jorge Paulo Lemann ist ein Mann mit vielen Talenten: Nach vielversprechenden Anfängen im Tennis wurde er durch Investitionen vermögend.
![Jorge Paulo Lemann, 3G Capital](https://wirtschaft-magazin.de/wp-content/uploads/2025/02/Jorge-Paulo-Lemann-845x619.jpg)
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Der Grundstein: Familie und Herkunft
Jorge Paulo Lemann, geboren am 26. August 1939 in Rio de Janeiro, wuchs in einem kulturell vielfältigen Elternhaus auf. Sein Vater, Paul Lemann, war ein Schweizer Einwanderer, der sich in Brasilien niederließ. Dort gründete er unter anderem ein Unternehmen für Molkereiprodukte. Als Lemann 14 Jahre alt war, verlor er seinen Vater bei einem Busunglück. Diese prägende Erfahrung hinterließ Spuren.
Die Verknüpfung der schweizerischen Effizienz mit der brasilianischen Lebensfreude formte Lemanns Persönlichkeit von Beginn an. Schon früh orientierte er sich an internationalen Vorbildern und träumte von großen Erfolgen jenseits traditioneller Karrieren. Zunächst feierte er Erfolge im Tennis. In seiner Jugend besuchte er die renommierte American School in Rio de Janeiro. Seine hervorragenden Leistungen brachten ihm den Weg an die Harvard University, wo er im Jahr 1961 ein Studium der Volkswirtschaftslehre abschloss.
Erste Schritte in der Finanzwelt
Nach seiner Zeit an der Eliteuniversität zog es Lemann zunächst nach Genf, wo er kurzzeitig für die Schweizer Großbank Credit Suisse tätig war. Diese Phase im europäischen Bankwesen legte wichtige Grundsteine für sein späteres Schaffen. Er erkannte früh die Bedeutung eines globalen Netzwerks und knüpfte Kontakte zu Institutionen und Investoren in aller Welt.
Seinen Durchbruch erzielte er jedoch in der Heimat: In Brasilien stieß er auf ein Umfeld, das in den 60er- und 70er-Jahren großen wirtschaftlichen Veränderungen unterlag. Während manche Investoren ihre Aktivitäten auf eine Nische beschränkten, suchte Lemann die Breite. Gemeinsam mit Gleichgesinnten gründete er 1971 die Investmentbank Garantia. Diese entwickelte sich rasch zu einem wichtigen Akteur im brasilianischen Finanzmarkt. Ihre Arbeitsweise galt als innovativ, weil Lemann und seine Partner konsequent auf Leistungsorientierung setzten. Innerhalb weniger Jahre machte sich Garantia einen Namen als Kaderschmiede für Banker mit Unternehmergeist.
Jorge Paulo Lemanns Aufstieg zum Multimilliardär
Ein zentrales Kapitel in Lemanns Karriere beginnt in den 80er- und 90er-Jahren. Ausgehend von Garantia beteiligte er sich an zahlreichen lukrativen Deals, die vor allem in Lateinamerika für Aufsehen sorgten. Sein Talent, vielversprechende Unternehmen aufzuspüren und ihnen durch eine konsequente strategische Führung zu internationaler Relevanz zu verhelfen, rückte ihn in den Fokus der Finanzwelt.
Ein Meilenstein war der Einstieg in den Biermarkt. Aus kleinen regionalen Brauereien in Brasilien formten Lemann und seine Partner eine starke Basis, die später zu AmBev zusammenwuchs – einem Konzern, der sich zu einem der größten Bierproduzenten Lateinamerikas entwickelte. Eine Folge dieser Aktivitäten war schließlich die Fusion mit der belgischen Interbrew und, noch später, die Integration mit Anheuser-Busch. Aus diesen Zusammenschlüssen entstand AB InBev, der heute als größter Brauereikonzern der Welt gilt. Damit legte Lemann den Grundstein für sein Imperium.
Im Laufe der Jahre weitete er seine Aktivitäten über den Biermarkt hinaus aus. Gemeinsam mit seinen langjährigen Partnern Marcel Telles und Carlos Alberto Sicupira gründete er 3G Capital, eine Investmentgesellschaft, die sich mit Kostendisziplin und aggressiven Übernahmestrategien in globale Unternehmen einkaufte. Zu den bekanntesten Beteiligungen zählen Burger King und die Fusion von Kraft Foods mit Heinz zu Kraft Heinz. Diese konsequente Expansionslust machte Lemann zu einem der einflussreichsten Investoren der Welt.
Laut Schätzungen von Forbes beläuft sich Lemanns Vermögen auf derzeit 14 Milliarden US-Dollar. Mehrere internationale Magazine führen ihn regelmäßig auf den vorderen Plätzen der wohlhabendsten Personen. Seinen Reichtum erarbeitete er sich mit einem klaren Blick für Effizienz, einem kompromisslosen Kostenmanagement und dem Mut, große Deals voranzutreiben.
Familie und privater Lebensstil
Trotz der globalen Präsenz seiner Unternehmungen hält Jorge Paulo Lemann sein Privatleben weitgehend unter Verschluss. Bekannt ist, dass er in zweiter Ehe verheiratet ist und sechs Kinder hat. Er lebt sowohl in Brasilien als auch in der Schweiz. Dort pflegt er die Verbindung zu seinen Wurzeln. Nicht selten taucht er in Gesellschaftskreisen auf, gilt jedoch als eher zurückhaltend. Statt in protzigen Luxusgütern zu schwelgen, soll er sich für Sport begeistern – vor allem nach wie vor für Tennis.
Seine sportliche Leidenschaft verbindet ihn mit Freunden aus dem internationalen Jetset. So wurden immer wieder Fotos veröffentlicht, die ihn in der Nähe von exklusiven Golfplätzen oder auf den Zuschauerrängen bedeutender Tennismeisterschaften zeigen. Dennoch bleibt er seinem Ruf als bescheidener Milliardär treu, der den Medienrummel meidet. Dieser Kontrast zwischen öffentlicher Relevanz und privater Zurückhaltung verleiht seiner Persönlichkeit einen eigenen Charme.
Gesellschaftliches und wirtschaftliches Wirken
Jorge Paulo Lemann hat nicht nur die Brau- und Nahrungsmittelbranche geprägt, sondern setzt auch Akzente in seiner Heimat Brasilien. Durch die von ihm mitbegründete Lemann Foundation engagiert er sich stark im Bildungsbereich. Die Stiftung unterstützt Bildungsprojekte, vergibt Stipendien und fördert junge Talente, die später als Führungskräfte in Brasilien Verantwortung übernehmen sollen. Damit will Lemann einen Beitrag leisten, um die soziale Ungleichheit zu reduzieren und die wirtschaftliche Entwicklung Brasiliens zu stärken.
Sein Einfluss reicht jedoch weit über Südamerika hinaus. 3G Capital ist ein bedeutender Investor in Nordamerika und Europa, was Lemann immer wieder in den Fokus der internationalen Medien rückt. Seine Unternehmen agieren global, von Restaurants über Konsumgüter bis hin zu Verpackungen. Mit seiner Philosophie eines zielorientierten Managements, das auf rigorose Kostenersparnisse setzt, hat er weltweit Unternehmensberatungen und Manager inspiriert. In vielen BWL-Lehrgängen wird seine Vorgehensweise als Beispiel für eine stringente, aber auch risikoreiche Wachstumsstrategie herangezogen.
Politisch tritt Lemann vergleichsweise selten in Erscheinung. Zwar haben er und seine Partner im Laufe der Zeit Verbindungen zu Regierungsmitgliedern und Wirtschaftsverbänden aufgebaut, doch konkrete parteipolitische Kampagnen oder lautstarke politische Statements sind nicht bekannt. Vielmehr setzt er auf die Förderung von Bildung, um langfristig politisches und wirtschaftliches Bewusstsein in Brasilien zu stärken.
Die Kehrseite der Erfolgsmedaille: Kontroversen und Kritik
Wo großes Kapital fließt, bleiben Widerstände nicht aus. Auch Jorge Paulo Lemann ist im Laufe seiner Karriere mit Kritik konfrontiert worden. Ein Vorwurf zielt auf den rigorosen Sparkurs, den er in übernommenen Unternehmen verordnet. Diese Strategie, oft als “Zero-Based Budgeting” bezeichnet, setzt auf konsequentes Streichen von Kosten. Zwar steigen dadurch kurz- bis mittelfristig häufig die Gewinne, doch einige Mitarbeiter und Beobachter kritisieren, dass dadurch auf lange Sicht wichtige Investitionen in Forschung, Entwicklung oder Unternehmenskultur zu kurz kämen.
Ein weiteres kontroverses Thema ist der Umgang mit dem Börsenwert von Firmen wie Kraft Heinz. Der US-Konzern musste 2019 hohe Abschreibungen vornehmen, nachdem die angestrebte Integration der Markenkraft nicht den erhofften Erfolg gebracht hatte. Zudem berichtete die Neue Zürcher Zeitung von bilanzbezogenen Vorwürfen im Zusammenhang mit Beteiligungen der 3G Capital. In diesem Kontext stand Lemann als einer der Hauptinvestoren in der Kritik, möglicherweise zu stark auf kurzfristige Profitmaximierung zu setzen und dabei langfristige Werte zu vernachlässigen.
Darüber hinaus hinterfragen einige Branchenkenner, inwieweit die starke Konzentration von Marken wie Burger King, Kraft Heinz und verschiedenen Getränkefirmen unter dem Dach der gleichen Investoren die Wettbewerbssituation beeinflusst. Ein großer Teil der weltweiten Nahrungsmittel- und Getränkemarken wird inzwischen von wenigen Konzernen dominiert, was Bedenken hinsichtlich Marktmacht und Verbraucherauswahl aufkommen lässt.
Trotz solcher Vorbehalte gilt Lemann weiterhin als Visionär, der durch seinen strategischen Weitblick oft früh Chancen im Markt erkennt. Seine Erfolge sprechen dafür, dass er in der Lage ist, sowohl in wirtschaftlich schwierigen Zeiten als auch in Wachstumsphasen zu agieren. Dennoch bleibt die Diskussion über die Nachhaltigkeit seiner Methoden bestehen.
Fazit: eine prägende Figur – mit Ambivalenzen
Jorge Paulo Lemann hat in den vergangenen Jahrzehnten mehrfach bewiesen, dass er ein Gespür für große Geschäfte besitzt. Vom Banking in Brasilien über globale Brauereien bis hin zu Fast-Food-Ketten und Konsumgütergiganten: Seine Spuren ziehen sich durch zahlreiche Branchen. Mit seinem Vermögen zählt er zu den reichsten Menschen weltweit. Dennoch wirkt er, zumindest in der Öffentlichkeit, bescheiden. Er tritt selten in politischen Debatten auf und zeigt sein Engagement vor allem durch die Förderung von Bildungsprojekten in seiner Heimat.
Die Kehrseite dieses Erfolges ist die Kritik an harten Sparmaßnahmen sowie an der enormen Marktmacht, die Lemann und seine Partner über die Jahre hinweg aufbauten. Nicht zuletzt die Episode rund um Kraft Heinz und diverse Vorwürfe in Sachen Bilanzierung illustrieren, dass selbst ein “Magier der Übernahmen” nicht immer den perfekten Deal landet. Für Brasilien bleibt Lemann jedoch eine Schlüsselfigur: Er repräsentiert eine Generation von Unternehmern, die ihr Land und dessen Wirtschaft weltweit auf die Landkarte gesetzt haben.