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Vom Immigrantensohn zum Tech-Milliardär: Jan
Koum im Porträt

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picture alliance / dpa | Tobias Hase

Schnell eine WhatsApp-Nachricht an den Kollegen schicken? Ohne Jan Koum wäre das nicht möglich. Seine Idee setzte sich dauerhaft durch.

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Kindheit in der Ukraine

Jan Koum erblickte am 24. Februar 1976 in Kiew (damals Teil der Sowjetunion, heute Ukraine) das Licht der Welt. Seine Familie gehörte zur jüdischen Minderheit in der Region und lebte unter einfachen Bedingungen. Die politische und wirtschaftliche Unsicherheit im Land motivierte die Eltern, nach einem besseren Leben im Ausland zu suchen. In den frühen 90er-Jahren wanderte die Familie in die Vereinigten Staaten aus. Der Sohn zog mit der Mutter nach Kalifornien, der Vater kam trotz des ursprünglichen Plans nie nach.

Die Mutter arbeitete als Teilzeit-Putzkraft, um das karge Familieneinkommen aufzubessern. Die Lebensbedingungen blieben bescheiden. Laut verschiedenen Berichten nutzten beide zeitweise Lebensmittelgutscheine, um über die Runden zu kommen. Diese Erfahrungen prägten Koum nachhaltig. Er erlebte schon als Jugendlicher, was wirtschaftliche Not bedeutet, und entwickelte einen ausgeprägten Willen, die eigene Zukunft selbstbestimmt zu gestalten. In Mountain View im US-Bundesstaat Kalifornien besuchte er eine örtliche Highschool. Dort entstanden die ersten Kontakte zu Computerclubs und Programmierkursen.

Frühe Faszination für Technologie

Obwohl das Englisch zunächst holprig war, erwachte schnell ein Interesse an Computertechnik. Nach eigenen Aussagen begann Koum, sich autodidaktisch weiterzubilden. Auch ein staatliches Unterstützungsprogramm in der Highschool bot Zugang zu Computern. Dort probierte er einfache Anwendungen aus und sammelte erste Erfahrungen in gängigen Programmiersprachen. Dabei stand ihm kein großes Kapital zur Verfügung, aber ein unersättlicher Wissensdurst trieb ihn an.

Sein Umfeld nahm ihn als zielstrebigen jungen Mann wahr, der auch schwierige Aufgaben mit Eifer anging. Statt teurer Nachhilfe investierte er viele Stunden in Handbücher und Tutorials. Sein praktischer Ansatz half ihm, komplexe Themen in relativ kurzer Zeit zu erfassen. Diese Mischung aus Neugier und Eigeninitiative ebnete ihm später den Weg in die Tech-Branche. Er wusste, dass eine klassische Karriere ohne Fremdfinanzierung nur durch fachliche Exzellenz und Beharrlichkeit möglich sein würde.

Studienversuch und erste berufliche Schritte

Koum schrieb sich an der San José State University ein, um Informatik zu studieren. Parallel übernahm er eine Anstellung als Sicherheits- und Systemprüfer bei Ernst & Young. Diese doppelte Belastung erwies sich jedoch als kräftezehrend. Nach einiger Zeit brach er das Studium ab und konzentrierte sich auf seine Tätigkeit, in der er wichtige Erfahrungen sammelte. Die Anstellung bei Ernst & Young brachte ihn 1997 mit Yahoo in Kontakt.

Jerry Yang und David Filo, die Gründer von Yahoo, erkannten sein Talent. Koum erhielt bald ein Angebot als Infrastruktur-Ingenieur. Dort lernte er Brian Acton kennen, eine spätere Schlüsselfigur in seiner Laufbahn. Beide arbeiteten mehrere Jahre im Team, entwickelten Tools und setzten Projekte im Bereich Web-Infrastruktur um. Yahoo wuchs in dieser Phase rasant und verschaffte den Mitarbeitern wertvolle Einblicke in datenintensive Prozesse. Der eigenwillige, aber produktive Arbeitsstil von Koum passte zum dynamischen Umfeld.

Von Yahoo in die weite Welt

Jan Koum arbeitete fast ein Jahrzehnt bei Yahoo. Gegen Ende wurde Koum zunehmend unruhig. Daher verließ er das Unternehmen 2007 gemeinsam mit Brian Acton. Danach folgte eine Phase der Selbstfindung. Beide reisten unter anderem durch Südamerika. Diese Pause nutzten sie, um Ideen für eigene Projekte zu entwickeln. Das nächste Ziel war eine Geschäftsidee, die ihre Vision von Kommunikation ohne Werbeunterbrechungen umsetzen konnte. Unterdessen bewarben sich Koum und Acton bei Facebook und wurden abgelehnt – eine ironische Anekdote, wenn man die spätere Entwicklung betrachtet.

Die bahnbrechende Idee entsteht

Anfang 2009 erwarb Koum ein iPhone. Apples App Store existierte erst seit wenigen Monaten, doch das Potenzial war offensichtlich. Das Smartphone rückte Kommunikationsfunktionen ins Zentrum des Nutzeralltags. Die Idee zu WhatsApp reifte rasch. Koum wollte eine App, die Statusmeldungen und Messaging vereint. Ursprünglich diente WhatsApp dazu, Kontakte via Smartphone-Status zu informieren, ob jemand verfügbar war oder nicht. Der Name spielte auf den Gruß „What’s up?” an und war zugleich leicht einprägsam.

Gemeinsam mit Brian Acton wurde die App Stück für Stück verbessert, bis erste Anwender sie nutzten und von ihrer Einfachheit schwärmten. Bald erkannte Koum, dass weniger oft mehr ist. Statt verspielter Designs setzte er auf zuverlässige Performance und intuitive Handhabung.

Schnelles Wachstum und konsequente Weiterentwicklung

WhatsApp lief auf den populären Smartphone-Betriebssystemen und profitierte von der verbreiteten Datenflatrate. Schnelle, direkte Kommunikation ohne Werbebanner wurde zum Markenzeichen. Mundpropaganda in Freundeskreisen und Familien sorgte für rasant wachsende Nutzerzahlen. Spätestens 2012 war WhatsApp in zahlreichen Ländern ein vertrautes Chat-Programm.

Die Nutzerbasis wuchs stetig. 2014 nutzten bereits Hunderte Millionen Menschen in Europa, Lateinamerika und Asien den Dienst. Diese Entwicklung weckte das Interesse von Tech-Giganten. Facebook übernahm WhatsApp schließlich 2014 für rund 19 Milliarden US-Dollar. Koum stimmte zu und wechselte in den Aufsichtsrat von Facebook, um die Integration zu begleiten.

Jan Koums Sprung in die Milliardärsliga

Der Verkauf von WhatsApp war einer der größten Deals in der Tech-Geschichte. Koum besaß einen bedeutenden Anteil an der Firma. Durch die Übernahme stieg sein Vermögen schlagartig in den Milliardenbereich. Laut Forbes liegt es aktuell bei rund 17 Milliarden Dollar. Die Gewinnbeteiligung aus der Facebook-Übernahme und seine Investitionen in Immobilien, Technologie-Start-ups und andere Bereiche trugen zu diesem Vermögenszuwachs bei.

Nach dem Zusammenschluss mit Facebook verfolgte Koum neue Projekte. Er blieb zunächst bei WhatsApp als Geschäftsführer, zog sich aber nach Spannungen um Datenschutzrichtlinien und Verschlüsselungsstrategien 2018 aus dem operativen Geschäft zurück. Sein Posten im Aufsichtsrat von Facebook endete ebenfalls.

Gesellschaftliches Engagement

In seiner Heimatregion genießt Koum heute eine Art Symbolstatus. Viele Ukrainer sehen in ihm ein Vorbild, das gegen alle Widerstände die US-Techwelt erobert hat. Seine Geschichte belegt, dass Durchhaltevermögen, ein sicheres Gespür für digitale Trends und der Wille, die eigene Vision zu verfolgen, große Veränderungen bewirken können. Er selbst spricht selten über politische Standpunkte, eine aktive Rolle in der ukrainischen Politik ist nicht bekannt. Im Kontext der weltweiten Tech-Branche gilt er jedoch als Vordenker für sichere, datenschutzorientierte Kommunikationsdienste.

Immer wieder tauchen Meldungen auf, wonach er selektiv Geld an wohltätige Zwecke spendet. Eine dieser Spenden ging an die FreeBSD Foundation, die sich für den Ausbau des freien Betriebssystems FreeBSD engagiert. Koum blieb dieser Plattform aus seiner frühen Programmierzeit verbunden und ließ ihr 2014 eine Million US-Dollar zukommen, was für eine Organisation dieser Größe eine erhebliche Unterstützung bedeutete.

Einfluss auf die Tech-Welt

Die Bedeutung von Jan Koum lässt sich nicht nur an den Milliardenverkäufen messen. WhatsApp veränderte die Art und Weise, wie Menschen global in Kontakt treten. Viele halten das von Koum und Acton geführte Unternehmen für einen Pionier im Bereich Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. Diese Schutzmaßnahme wurde ab 2016 im großen Stil eingeführt und gilt bis heute als wegweisend für sichere Kommunikation im Massenmarkt.

Technikbegeisterte Entwickler weisen auch auf Koums beständiges Bekenntnis zur Einfachheit hin. Er erkannte, dass Nutzer kurze Ladezeiten und ein aufgeräumtes Interface schätzen. Seine Idee, Messaging ohne Werbeeinblendung anzubieten, wirkte beinahe radikal. Inzwischen versuchen andere Dienste, dieses werbefreie Erlebnis zu kopieren oder durch alternative Finanzierungsmodelle umzusetzen. Koums Einfluss zeigt sich also im gesamten Messenger-Ökosystem. Große Konzerne wie Google, Apple oder Telegram haben ähnliche Funktionalitäten adaptiert, um gegen WhatsApp anzutreten. Doch lässt sich der Dienst von Platz eins verdrängen?

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