Starnberg, 11.06.2024 (lifePR) – Neun Monate nach der letzten Zinserhöhung entschied die Europäischen Zentralbank (EZB) den Leitzins von 4,5 auf 4,25 Prozent zu senken. Das erfordert Mut, denn weder die amerikanische noch die britische Notenbank haben bisher diesen Schritt gewagt. In der Regel folgt die EZB dem Zinspfad seiner amerikanischen Schwester. Steigen damit die Zinsen genauso schnell wie sie gefallen sind? Gehen Sie in der heutigen Ausgabe des Zinskommentars dieser Frage nach.

EZB: Große Zinswende oder graduelle Anpassung?

Die Entscheidung der EZB beruht vor allem auf der Tatsache, dass die Inflation seit September vergangenen Jahres um mehr als 2,5 Prozentpunkte gefallen ist (Vgl. Abbildung 1). Dennoch ist die Inflation im letzten Monat wieder leicht angestiegen. Im Mai betrug diese 2,6 Prozent, während es im April noch 2,4 Prozent waren. Die EZB erwartet jedoch nicht, dass sich dieser Trend fortsetzt, auch wenn „der Inflationsdruck durch Lohnwachstum“ hoch bleibt. Die Kerninflation liegt noch immer über der normalen Inflation, da die Dienstleistungspreise im Verhältnis zu den Energiepreisen wesentlich stärker gewachsen sind. Für 2024 und 2025 erwartet die EZB eine durchschnittliche Inflation von 2,5 Prozent und 2,2 Prozent. Die Annäherung an das Inflationsziel von 2,0 Prozent sollte sich also fortsetzen.

Trotz der Entscheidung der EZB die Zinswende einzuleiten, betont die Notenbank weitere Zinssenkungen „von Treffen zu Treffen“ zu entscheiden und sich dabei auf die jüngste Datenlage zu berufen. Damit lässt sich noch keine genaue Vorhersage über den zukünftigen Zinspfad treffen. Die EZB wird sicherlich erstmal abwarten wollen, wie sich die Entscheidung auf den Verlauf der Wirtschaft auswirken wird und, ob die Inflation tatsächlich weiter sinkt, wie angenommen. Einige Beobachter sind da skeptisch.

Und dies beruht insbesondere darauf, dass die Fed noch immer keine Zinssenkung vorgenommen hat, obwohl diese nicht nur ein höheres Zinsniveau hat, sondern auch schon länger auf diesem Niveau verweilt (Vgl. Abbildung 2). Die letzte Zinserhöhung ist fast 12 Monate her und damit mehr als 3 Monate im Vergleich zu der EZB. In der Regel gibt eher die Fed die Richtung vor und die EZB folgt.

Kritiker vergessen jedoch oft, dass die Inflation in den USA schon seit über einem Jahr auf dem Niveau von rund 3,4 Prozent verweilt, ohne sich sichtbar der Zweiprozentmarke zu nähern. Die USA benötigt also schlichtweg ein derartiges Zinsniveau, um endlich der Inflation zu entkommen. Diesbezüglich läuft es also in Europa besser als in den USA. Die Zinssenkung könnte sogar als Chance oder gar Wettbewerbsvorteil verstanden werden, da Investitionen und Konsum wieder günstiger werden und damit die träge Wirtschaft belebt wird.

Ein interessanter, von uns erwarteter, Nebeneffekt schlich sich bei den 10-jährigen Renditen ein. Diese stiegen unauffällig um 15 Basispunkte an.
Somit sehen wir aktuell noch keine große Zinswende, sondern eher eine graduelle Anpassung an die reduzierten Inflationsraten.