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Mobile Visionen: der faszinierende Aufstieg des Eric Li

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picture alliance/AP Photo | Vincent Thian

Li Shufu, international auch als Eric Li bekannt, verkörpert das rasante Wirtschaftswunder Chinas wie kaum ein Zweiter: Der Sohn einer Bauernfamilie ist heute einer der reichsten Männer der Welt.

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Von den Feldern Zhejiangs in die Welt der Technik

Eric Li, Geburtsname Li Shufu, kam 1963 in Taizhou in der ostchinesischen Provinz Zhejiang zur Welt. Seine Familie lebte vom Ackerbau und hatte nur wenige finanzielle Mittel. Er wuchs somit in einem ländlichen Umfeld auf, das von harter Arbeit und traditionellen Werten geprägt war. Schon früh zeigte er eine Faszination für Technik: In seiner Jugend verbrachte er viel Zeit damit, kleinere mechanische Geräte zu zerlegen, um deren Funktionsweise zu verstehen.

Diese Neugier markierte den Beginn einer Leidenschaft, die ihn nie mehr loslassen sollte. Dennoch war ihm anfangs kein geradliniger Weg in die Welt der Automobilindustrie vorgezeichnet. Der wirtschaftliche Aufschwung Chinas stand noch aus, und das Land befand sich in einer Phase des Wandels. Li Shufu musste sich sein Wissen Stück für Stück erarbeiten und erlebte, wie schwierig es sein konnte, in einem politisch und ökonomisch transformierenden Umfeld zu bestehen.

Eric Lis Bildungsweg

Obwohl sein Elternhaus keine akademische Tradition vorweisen konnte, setzte Li alles daran, eine solide Ausbildung zu erlangen. Seinen ersten wichtigen Schritt machte er mit einem Studium im Fachbereich Wirtschaftsingenieurwesen am Harbin Institute of Technology. Später vertiefte er sein Wissen mit einem Masterabschluss in Maschinenbau an der an der Yan Shan University. Dort befasste er sich nicht nur mit traditionellen Ingenieursfächern, sondern auch mit neuen Technologietrends.

Kühlschränke als erste Station

Li Shufus Karriere begann kurioserweise nicht mit Autos, sondern mit Kühlgeräten. In den 80er-Jahren gründete er ein kleines Unternehmen zur Produktion von Kühlschränken. Damals ahnte niemand, dass er Jahrzehnte später zu einem Global Player im Automobilsektor aufsteigen würde. Doch das Geschäft mit den Kühlschränken war nur ein Startschuss: Li nutzte die Gewinne, um schrittweise in profitablere Branchen zu expandieren.

Bereits Ende der 80er-Jahre begann er, kleine Motorradkomponenten herzustellen. Seine wachsende Erfahrung in der Metallverarbeitung und sein technisches Verständnis zahlten sich aus. Er setzte früh auf konsequente Forschung und Entwicklung und investierte in neue Fertigungsmethoden. Diese zunächst kleinen Schritte bildeten das Fundament dessen, was später zur Zhejiang Geely Holding Group werden sollte – ein Mischkonzern, der mittlerweile nahezu alle Bereiche der Mobilität abdeckt.

Der Aufstieg von Geely: mehr als nur Automobile

Der Name Geely tauchte erstmals 1986 auf, als Li sich entschloss, ein eigenes Unternehmen aufzubauen. Die Zhejiang Geely Holding Group begann als vergleichsweise kleiner Hersteller von Motorrädern und günstigeren Fahrzeugen für den chinesischen Markt. Mit aggressiver Preispolitik und technischer Weiterentwicklung gelang es Li, Geely rasch bekannt zu machen.

Schon bald investierte er in den Aufbau einer Automobilsparte. Dabei setzte er auf die steigende Nachfrage nach preiswerten Klein- und Mittelklassewagen in China. Der Erfolg stellte sich schneller ein, als viele erwartet hatten. Geely Automobile ging schließlich 2005 in Hongkong an die Börse und verschaffte sich damit Zugang zu internationalem Kapital, was für das weitere Wachstum essenziell wurde.

Das Unternehmen entwickelte eine Strategie, die nicht nur auf den heimischen Markt beschränkt blieb. Li wollte sein Automobilportfolio global erweitern und orientierte sich an internationalen Marken, deren technische Kompetenz und Name einen Mehrwert darstellen könnten. So erwarb Geely 2010 Volvo Cars, eine Übernahme, die damals für beträchtliches Aufsehen sorgte. Viele Branchenbeobachter zweifelten zunächst an der Vereinbarkeit zweier Kulturen – eine chinesische Holdinggruppe und die traditionsreiche schwedische Automarke. Doch Li gelang es, Volvo relativ eigenständig zu lassen, während Geely von Technologie- und Wissenstransfer profitierte.

Internationale Zukäufe und neue Geschäftsfelder

Volvo war nicht der letzte Zukauf, mit dem Li Shufu Aufsehen erregte. In den folgenden Jahren investierte er unter anderem in das britische Unternehmen London Taxi (heute London Electric Vehicle Company) und in die malaysische Marke Proton. Darüber hinaus kamen Beteiligungen an Lotus, Polestar und Lynk & Co hinzu. All diese Namen verschafften Geely einen festen Platz in der weltweiten Automobilbranche.

Ein weiterer Meilenstein war der Einstieg bei Daimler: Li erwarb über verschiedene Kanäle Anteile an dem deutschen Traditionskonzern, was zum Zeitpunkt des Einstiegs für heftige Debatten sorgte. Hintergrund waren Sorgen um einen zu starken chinesischen Einfluss in der europäischen Autoindustrie. Später stieg Li Shufu bei Daimler Truck aus, was erneut die mediale Aufmerksamkeit auf sich zog und Fragen nach seiner langfristigen Strategie aufwarf. Doch Li, der auf Mobilitätstechnologien setzt, investiert inzwischen in Zukunftsfelder wie Volocopter, ein Start-up für Flugtaxis. Zudem engagiert er sich über Caocao, einen chinesischen Ride-Hailing-Dienst. So wird seine Holding immer umfassender und verknüpft klassische Automobilherstellung mit modernen Mobilitätslösungen.

Das Vermögen des “Auto-Königs”

Die Forbes-Listen führen Li Shufu regelmäßig unter den reichsten Menschen der Welt. In den letzten Jahren wurde sein Vermögen auf über 17 Milliarden US-Dollar geschätzt. Verschiedene Quellen schwanken zwischen rund 17 und mehr als 20 Milliarden Dollar. Dieser Reichtum entspringt zum größten Teil den Erträgen aus der Zhejiang Geely Holding Group sowie den erfolgreichen Beteiligungen und Börsennotierungen.

Durch strategische Allianzen und das Verständnis dafür, wie man tradierte Marken revitalisiert, gelang es Li, nicht nur in China zu wachsen, sondern auch internationale Märkte zu erschließen. Damit zählt er zu den einflussreichsten Personen der globalen Automobilbranche. Immer wieder verdeutlicht er, dass er sich mit Geely nicht nur auf Pkw beschränken will, sondern auch im Bereich alternativer Antriebe, E-Mobilität und neuer Verkehrskonzepte Maßstäbe setzen möchte.

Lebensstil und Familie

Als Gesicht hinter einem Milliardenkonzern bewegt sich Li Shufu in höchsten Businesskreisen, bleibt privat aber weitgehend zurückhaltend. Bekannt ist, dass er in China lebt und sich stark auf die strategische Weiterentwicklung seines Konzerns konzentriert. Seine Familie hält er bewusst aus der Öffentlichkeit fern. In Interviews betont er gelegentlich, dass familiäre Stabilität und Zusammenhalt für ihn oberste Priorität hätten.

Über den konkreten Lebensstil gibt es vor allem Spekulationen: Obschon er manchmal in luxuriöser Umgebung abgelichtet wird, geben Wegbegleiter an, Li pflege ein pragmatisches Auftreten. Luxuriöse Showeffekte seien nicht sein Wesenskern. Er bleibt, wie viele chinesische Unternehmer, diskret, wenn es um Details seines Privatlebens geht.

Gesellschaftliches Engagement

In seiner Heimat hat sich Li den Ruf eines Unternehmers erarbeitet, der besonders in Technologie, Bildung und Forschung investiert. Geely betreibt mehrere Stiftungen und Programme, die Talenten finanzielle Unterstützung sowie Ausbildungsplätze bieten. Aus Branchenkreisen heißt es, dass Li regelmäßig Spenden initiiere, insbesondere für Projekte zur Förderung der Ingenieursausbildung und der Verkehrssicherheit. Zwar werden keine detaillierten Summen veröffentlicht, doch zeigt sich sein Engagement in Förderprogrammen für Hochschulen und universitäre Forschungskooperationen.

Darüber hinaus unterstützt er Projekte, die sich mit nachhaltiger Mobilität und Umweltschutz befassen. Die Elektrifizierung der Fahrzeuge seiner Marken gehört zu den zentralen Säulen seines Selbstverständnisses, da er – zumindest nach seinen öffentlichen Äußerungen – davon überzeugt ist, dass die Zukunft auf klimafreundlichen Antrieben beruht. Spenden an karitative Einrichtungen sind zwar bekannt, werden von Li jedoch selten öffentlichkeitswirksam in Szene gesetzt.

Politische Positionierung

Li Shufu ist Mitglied des National Committee of the Chinese People’s Political Consultative Conference, eines beratenden Gremiums, das die Regierung zu gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Themen berät. Dies verleiht ihm in China zusätzliches Ansehen und Einfluss. Seine Nähe zur Politik spiegelt sich auch darin wider, dass seine Unternehmen häufig von öffentlichen Förderungen für Innovationsprojekte profitieren konnten.

Allerdings ist sein politisches Engagement nicht mit Parteipolitik im westlichen Sinne gleichzusetzen: Er gilt weniger als politischer Akteur, sondern vielmehr als Wirtschaftsvertreter, der sich für die Interessen der chinesischen Autoindustrie und die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Landes einsetzt. Dennoch stößt sein Einfluss im Ausland bisweilen auf Skepsis, da strategische Investitionen in ausländische Unternehmen mit dem gestiegenen chinesischen Einfluss in globalen Industriezweigen einhergehen.

Internationale Kritik und Kontroversen

Mit seinen intensiven Zukäufen und Beteiligungen in Europa, Südostasien und den USA hat sich Li Shufu den Ruf eines rastlosen Dealmakers erworben. Manche Kritiker befürchten, dass der massive Aufkauf ausländischer Firmen zu einer Verschiebung von Forschungskompetenzen führen könnte. Insbesondere der Einstieg bei Daimler sorgte für Aufregung, da er für viele Beobachter ein Zeichen war, wie stark chinesische Investoren in globale Premium-Marken eindringen. Der spätere Ausstieg bei Daimler Truck führte ebenfalls zu Diskussionen, inwieweit Li eine langfristige oder eher kurzfristige Renditestrategie verfolge.

Zudem sehen manche Experten das wachsende Netzwerk, das Li mit Geely knüpft, kritisch. Sie argumentieren, dass ein Unternehmen, das in nahezu allen Feldern der Mobilität aktiv ist – vom Flugtaxi über Carsharing bis hin zu Verbrenner- und Elektromobilen –, ein hohes Maß an wirtschaftspolitischer Macht bündelt. Mögliche Interessenskonflikte in den Ländern, in denen Geely aktiv ist, stünden einer reinen Marktlogik gegenüber.

Dennoch finden sich auch zahlreiche Stimmen, die Li als zukunftsorientierten Unternehmer loben, der frühzeitig begriffen hat, wie essenziell Forschung und Entwicklung sind, um in einem hart umkämpften Markt zu bestehen. Sein Einfluss auf Marken wie Volvo, Proton oder Lotus wird weitgehend positiv gesehen, da er in der Regel Investitionen in neue Modelle, Technologien und Fabriken ermöglicht hat.

Ausblick: Mobilität neu denken

Das Tempo, mit dem sich Li Shufu in der internationalen Automobil- und Mobilitätslandschaft bewegt, bleibt hoch. Mit neuen Technologien wie Flugtaxis, Elektroantrieben und Fahrassistenzsystemen plant Geely offensiv, Verkehrskonzepte in Ballungszentren zu revolutionieren. Dabei kommen Start-ups und etablierte Hersteller gleichermaßen ins Visier: Li versucht, beide Welten zu verbinden, indem er die Innovationskraft junger Unternehmen mit den Ressourcen seiner Holding vereint.

Es ist davon auszugehen, dass sich Li Shufu weiterhin für Themen wie Nachhaltigkeit und urbanen Wandel einsetzen wird. Entsprechend bleibt auch die Frage, wie seine weit verzweigten Beteiligungen zusammenspielen und ob sie langfristig einen globalen Mobilitätsgiganten formen. Trotz aller Kritik aufgrund der politischen und wirtschaftlichen Dimension seines Wirkens hat Li sich in wenigen Jahrzehnten vom Kühlschrankhersteller zu einem der größten Automobilstrategen der Welt entwickelt. Sein Vermögen im zweistelligen Milliardenbereich und sein Einfluss auf mehrere Kontinente unterstreichen, dass sein Wort in der Branche Gewicht hat.

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