Genuss, Lifestyle

Die neue Kubakrise trifft die Königin der Zigarren

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Kuba liefert kaum noch Zigarren nach Europa. Die Chance für Tabake aus Nicaragua, Honduras, Ecuador, Brasilien, Costa Rica und der Dominikanischen Republik, endlich aus dem Schatten der Königin zu treten.

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Kuba Zigarren
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H. Upmann Magnum 54, Punch Punch, Partagas 8-9-8, Montecristo No. 2, Cohiba Siglo IV, Romeo y Julieta Churchill, Bolivar Belicoso Fino, Ramon Allones Specially Selected, Vegas Robaina Famosos, Trinidad Reyes, Cuaba Exclusivos – was Uneingeweihten wie die Auflistung lateinamerikanischer Inkassounternehmen vorkommen mag, drückt Kennern Tränen in die Augen: Tränen der Nostalgie; Tränen beim Gedanken an den Kontoauszug; Tränen der Verzweiflung: Es dürfte für viele eine kleine Ewigkeit her und eine große Ewigkeit hin sein, eine Puro Habano zwischen den Lippen zu halten, eine Zigarre aus Kuba.

Alles schaler Rauch

Was ist passiert? Wieso ist dieses Statussymbol präpotenter Aufschneider, dieses extravagante Laster der Connaisseure, diese subtile Verführung zur Sinnesfreude und Aufforderung zur Tagträumerei seit gut vier Jahren flächendeckend aus europäischen Humidoren verschwunden? Wie lange wird es dauern, bis wir wieder das Kribbeln in den Fingern spüren beim Entsiegeln einer frischen Kiste, den seidigen Glanz der Coronas, Robustos, Torpedos und Lonsdales bewundern, den Duft speckiger Deckblätter einsaugen, dem leisen Knispeln (nicht Knistern!) lauschen, wenn wir sie zwischen den Fingern drehen, schließlich ihr Käppchen einschneiden, sie rundum zum Erglühen bringen und uns endlich über Stunden bei dezenten Zügen, kurz vor dem Erkalten, den Zumutungen des Alltags im Aromenrausch entheben?

Alles vorbei. Alles in Rauch und nichts in Wohlgefallen aufgelöst. Beim Tabakladen des Vertrauens, im Online-Handel, überall dieselbe trostlose Nachricht: “Auf unbestimmte Zeit nicht verfügbar”. Selbst jene Quellen, die früher verlässlich sprudelten – der Trip auf die Kanaren, die Fähre nach Helgoland, die Order in der Schweiz (in der Hoffnung, der Zoll möge nicht zu genau hinschauen) – sie sind versiegt. Verirrt sich ein Einzelexemplar oder ein 12er-Kistchen, von einer 25er-Box gar nicht zu reden, auf den Markt, bricht härtester Sozialdarwinismus aus. Nur als Exempel: Die Grande Dame Cohiba Robusto lag im März 2022 mit 25 Euro schon an der Schmerzgrenze. Aktuell kostet sie, mit Glück, 66 Euro. Wohl dem, der sich beizeiten bevorratet hat.

Die vier Reiter der Apokalypse

“Schuld” an der Katastrophe haben erstens jene Kräfte, die auch auf weltpolitischer Bühne die Schurkenrolle innehaben: Russen und Chinesen. Was immer dran sein mag an Gerüchten über Händler aus Fernost und Wladimir Wladimirowitschs Reich, die ihre Beute rucksackweise aus den heiligen Hallen, den Humidoren europäischer Metropolen, schleppten und sie überteuert Oligarchen und Hongkong-Millionären andrehten, Tatsache ist Folgendes: Kubanische Zigarren werden nicht frei gehandelt. Das Staatsunternehmen Habanos S. A. weist Generalimporteuren aus aller Welt Kontingente zu. 2020 verkaufte das britische Unternehmen Imperial Brands, das bis dahin die Hälfte der Anteile hielt, seine Beteiligung an das ominöse Hongkonger Konsortium AlliedCigar Corp für geschätzte 1,04 Milliarden US-Dollar – auf Jahrzehnte der größte Deal der Tabakindustrie. Seitdem erhält China eine deutlich höhere Quote an der Produktion, sodass es nun nach Spanien Hauptabnehmer kubanischer Zigarren ist, gefolgt von Deutschland, Frankreich und der Schweiz.

Die Nachfrage ist groß, entsprechend teuer lassen sich Puros verkaufen. Im Zuge einer Homogenisierungsstrategie gleicht Habanos S. A. seit 2022 auch die restlichen Märkte den asiatischen an. Premium-Zigarren werden noch stärker als bislang als Luxusgut vermarktet. Viele Formate in Deutschland kosten nun das Doppelte bis Dreifache, siehe das Beispiel Cohiba.

Zum Zweiten trifft die Klimakrise den Inselstaat mit voller Wucht in Form von Naturkatastrophen, euphemistisch “Extremwetterereignissen”. 2020 zogen 30 Hurrikans über die Atlantikregion, ein neuer Rekord. Plantagen, Fermentationslager und Fabriken nahmen Schaden. Die Ernte des Jahres 2021 fiel um zwanzig Prozent kleiner aus als im Vorjahr. Im September 2022 zerstörte Hurrikan “Ian” das Tal von Pinar del Río, Hauptanbaugebiet der Insel und alleinige Bezugsquelle für die Premiummarken Cohiba, Montecristo und Romeo y Julieta sowie für die großen Deckblätter, die zum Rollen der mächtigen Formate Double Corona, Churchill und Salomones benötigt werden. Die Tropenstürme spülen zudem den wertvollen Boden und bereits gesetzte Tabakpflanzen weg. Schnelles Nachpflanzen ist lediglich ein Notbehelf: Jungen Tabakblättern fehlt die Qualität für gute Zigarren. Sie lassen sich schlecht rollen, ziehen nicht sauber und schmecken fad.

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Zum Wetterunglück kam drittens Pech dazu: Corona. Während des Lockdowns 2020 wurde die Produktion in den Manufakturen teilweise ganz eingestellt. Später fanden aufgrund der Abstandsregeln in den sonst eng besetzten Fabriksälen lediglich Bruchteile der normalen Belegschaft Platz; erfahrene Dreherinnen mit Kindern blieben Zuhause, da die Schulen geschlossen waren; beim Auftreten eines Covid-19-Falles wurden vorsichtshalber alle Mitarbeiter nach Hause geschickt. Die Einführung eines Schichtsystems konnte die personellen Engpässe und Produktionsausfälle nicht abfangen.

Viertens ist die Krise hausgemacht. Zigarren waren neben dem Tourismus größter Devisenbringer des Inselstaates, der sich noch immer sozialistisch nennt. Doch die kubanische Staats- ist in erster Linie eine Mangelwirtschaft. Auf den Plantagen mangelt es an Düngemitteln und Pestiziden. Busse haben kaum Benzin, um die Arbeiter in die Manufakturen zu bringen. Durch den Zusammenbruch des Tourismusgeschäfts fehlt es an Geld für elementare Importgüter: Holzkistchen zum Verpacken, Aluminium-Tubos für Einzelstücke, Banderolen für Bauchbinden und Drucke zum Zieren und Versiegeln der Zigarrenboxen. Erfahrene Zigarrendreher wechseln in andere Jobs, Nachwuchs muss erst angelernt werden, so er überhaupt zu finden ist: Wenn sie können, entfliehen junge Menschen der kubanischen Tristesse. Von den etwa elf Millionen Bewohnern verließen in den vergangenen zwei Jahren fast 500.000 die Insel.

Trost für die Aficionada, den Aficionado der Kubazigarre?

Deutlich gesagt: Es gibt keinen unmittelbaren Trost. Kubas feuchtwarmes Klima und die rote, nährstoffhaltige Erde bieten weltweit einzigartige Bedingungen für den Anbau edler Tabake. Die Expertise, die sich ab dem 18. Jahrhundert mit Beginn der Zigarrenproduktion in Havanna ausgebildet hat, ist unerreicht, von der Zucht der Tabakpflanzen über die Auswahl der Blätter, das zweimalige beziehungsweise dreimalige Fermentieren für die besten Marken bis zum Fingerspitzengefühl der Dreherinnen und Dreher für das makellose Deckblatt, die richtige Dichte und den perfekten Zug. „Hecho en Cuba, totalmente a mano“ ist und bleibt der Goldstandard des Genussrauchens.

Der Casus ist also kompliziert, vollkommen hoffnungslos ist er nicht. Auch andere Mütter haben hübsche Töchter. Die Krise bietet die Chance für Tabake aus Nicaragua, Honduras, Ecuador, Brasilien, Costa Rica und der Dominikanischen Republik, endlich aus dem Schatten der Königin zu treten. Die Auswahl zumindest ist riesig, ebenso groß ist leider auch die Anzahl der Enttäuschungen. Doch es gibt sie selbstredend, hervorragende nicht-kubanische Zigarren. Wie immer in Geschmacksdingen zählt nur das Selbststudium, und das hat ja auch seinen Reiz. Als Einstiegsköder hier dennoch drei Empfehlungen.

Zigarren der Marke Macanudo zählen seit vielen Jahren zu den meistverkauften auf dem US-Markt, geschuldet nicht zuletzt dem Handelsembargo gegen kubanische Tabakwaren, das erst 2015 etwas gelockert wurde. Ursprünglich in Jamaica hergestellt, werden heute alle Longfiller in der Dominikanischen Republik handgefertigt. Die Tabake stammen ebenfalls aus der Domrep, aus Mexiko, den Vereinigten Staaten, sowie aus Brasilien, Ecuador, Honduras und Nicaragua.

Gegen Ende der 1990er-Jahre führte Macanudo seine “Maduros” ein (spanisch für “reif”). Sie sind auf den ersten Blick erkennbar am dunklen, ölig braunen Deckblatt, das auf der Farbskala nur noch von „Oscuro“ übertroffen wird, der Bezeichnung für fast schwarze Deckblätter. Die “Maduro Hyde Park”, ein Gran Corona Format, besteht aus einer Einlage aus dominikanischem und mexikanischem Tabak, das Umblatt ist mexikanischer San Andrés Tabak, das schwarzbraune Deckblatt ist ein Connecticut Broadleaf. Bei mittlerer Stärke dominieren die Aromen von Espresso und Zartbitterschokolade, eingeleitet von einer nussigen Süße, die im Verlauf würzigen Röstaromen nach Holz und Toast weicht. Kostenpunkt etwa neun Euro.

Ursprünglich im Privatauftrag für einen exklusiven Nachtclub gefertigt, produziert The Griffin’s heute Zigarren in der renommierten Tabacalera de García-Fabrik in der Dominikanischen Republik. Für die “Classic Robusto” werden drei Einlagetabake aus dem Cibao-Tal von Hand gerollt und von einem Connecticut-Deckblatt aus Ecuador umhüllt. Bei milder bis mittelkräftiger Stärke kombiniert die Zigarre ein cremiges Mundgefühl mit subtilen Noten nach Zedernholz, Leder, gerösteten Nüsse und einer feinen Schärfe. Etwa zwölf Euro.

Seit 1992 gehört The Griffin’s zur Oettinger Davidoff AG in Basel, was uns zur letzten Empfehlung bringt: Der Tabakgigant führte 2013 eine Zigarrenserie ausschließlich aus nicaraguanischen Ernten ein, die in der Davidoff-Manufaktur der Dominikanischen Republik verarbeitet werden. Um den vulkanischen Boden Nicaraguas widerzuspiegeln, besteht das Geschmacksprofil der Linie aus bittersüßen Aromen, geprägt durch erdige, pfeffrige Einlagetabake aus Estelí sowie aus Condega und Ometepe.

Das Um- und Deckblatt der “Nicaragua Robusto” stammt aus Jalapa. Die Puros ist mittelkräftig, beginnt mit Anflügen von weißem Pfeffer, dann werden Röstaromen, Kaffee, dunkle Schokolade und Leder wahrnehmbar, bevor im letzten Drittel eine vollmundige Süße versöhnt. Schlägt leider mit gut 20 Euro ziemlich ins Kontor.

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