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Das „Wasser des Lebens“: schottischer Single Malt

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Single Malt-Fässer an der Küste von Islay

Single Malt-Fässer an der Küste von Islay © shakethatshit.com//AdobeStock

Schottischer Single Malt Whisky ist und bleibt eine unvergleichlich komplexe Spirituose, deren Studium auch nach Jahrzehnten noch nicht erschöpft ist. Was sie auszeichnet und einige Empfehlungen zum Verkosten.

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Auch wenn er sich gegen Trendgetränke wie Tequila zur Wehr setzen muss und in internationalen Wettbewerben mit schöner Regelmäßigkeit gegen die junge Konkurrenz aus Japan den Kürzeren zieht – schottischer Single Malt Whisky (vom Gälischen „Uisge Beatha“, „Wasser des Lebens“) ist und bleibt eine unvergleichlich komplexe Spirituose, deren Studium auch nach Jahrzehnten noch nicht erschöpft ist und stets aufs Neue belohnt.

Was sich Scotch Single Malt nennen darf

Um die Erfindung des Whisky beziehungsweise „Whiskey“ kloppen sich Iren und Schotten bis heute. Sei’s drum. Entscheidend ist, dass das Brennverfahren der Legende nach vom irischen Schutzpatron St. Patrick (einem gebürtigen Schotten!) Ende des vierten Jahrhunderts aus Südeuropa nach Irland importiert wurde, sich aus den dortigen Klöstern etwa 200 Jahre später nach Schottland und durch britische Soldaten ab dem 12. Jahrhundert in ganz England verbreitete. Die ersten lizenzierten Brennereien entstanden im späten 15. Jahrhundert.

„Single Malt“ heißt die kostbare Spirituose, da sie stets nur aus einer einzigen Destillerie stammt und ausschließlich aus gemälzter Gerste, Wasser und Hefe hergestellt wird. Die Gerste beziehen lediglich einige wenige Brennereien direkt aus Schottland und auch das Verblenden unterschiedlicher Jahrgänge und Fässer ist erlaubt – doch stets müssen sie aus einem einzigen Betrieb stammen.

Per Gesetz dürfen sich ausschließlich in einer traditionellen Pot-Still-Anlage mit Kupferbrennblase gebrannte Whiskys Single Malts nennen. Das Verfahren gilt als Garant der hohen Qualität der Spirituose und unterscheidet sie von Bränden aus den heute am weitesten verbreiteten Säulenbrennanlagen, die eine kontinuierliche Destillation mit wesentlich höherem Alkoholgehalt zu geringeren Kosten erlauben, doch einen weniger anspruchsvollen Stoff liefern.

Was man aus Bier noch alles machen kann

Die Whisky-Herstellung ähnelt im ersten Schritt, dem Maischen, dem Bierbrauen. Gerste wird angefeuchtet und zum Keimen gebracht, damit die im Korn schlummernden Enzyme die Getreidestärke zu Mehrfachzucker aufspalten, die später der Hefe zur Nahrung dienen. Der Keimprozess wird unterbrochen, indem das Malz an der Luft beziehungsweise durch Wärme wieder getrocknet wird. Verantwortlich für das charakteristische Raucharoma vieler schottischer Single Malts ist das sogenannte Darren: Die Brennöfen zum Trocknen des Malzes werden mit gestochenen Torfballen befeuert. Abschließend wird das Malz geschrotet, mit dem Brauwasser der Destillerie in großen Bottichen eingemaischt und unter Zugabe von Hefe über mehrere Tage vergoren. Das Resultat ist eine süßliche Getreidesuppe mit einem Alkoholvolumen zwischen sechs und acht Prozent.

Kupferne Brennblasen bei Glenfiddich in Dufftown
Kupferne Brennblasen bei Glenfiddich in Dufftown © Alizada Studios // AdobeStock

Diese Maische oder Würze („Wort“) wird gefiltert, in kupferne Brennblasen gefüllt, die Pot Stills, und erwärmt. Traditionell durchläuft die Maische dabei die erste Brennblase („Wash Still) und weist als Rohbrand einen Alkoholgehalt von etwa 20 Volumenprozent auf. In einer zweiten Brennblase, der „Spirit Still“, wird der flüchtige Alkohol sowie der Großteil der Geruchs- und Geschmacksstoffe vom Wasser, das einen höheren Siedepunkt hat, getrennt und zu etwa 70 Volumenprozent konzentriert. Je länger der Alkoholdampf Kontakt mit dem Kupfer der Brennblasen und ihren langen Schwanenhälsen hat, umso gründlicher werden ungustiöse, kopfschmerzverdächtige Stoffe wie Fuselöle und Schwefel abgesondert. Für die Feinheit und Qualität eines Single Malts sind daher die Größe und Form der Brennblasen sowie die Brenngeschwindigkeit von heiliger Bedeutung. Es soll Brennmeister geben, die beim Einbau neuer Kupferblasen die Dellen der ausgemusterten minutiös nachmodellieren.

Wie man mit den Engeln teilt

Nach der zweiten – bei einigen Herstellern dritten – Destillation ist der Whisky ein klarer Schnaps, einem Kornbrand nicht unähnlich. Den größten Einfluss auf seinen Geschmack, seine Aromen, seine Farbe, seinen Geruch haben die folgenden Jahre der Lagerung. Schottischer Single Malt muss mindestens drei Jahre in Holzfässern reifen. Gängig ist die Lagerung zwischen zehn und fünfzehn Jahren, Kenner delektieren sich auch an 25 Jahre gereiften Abfüllungen. Das auf dem Etikett angegebene Alter orientiert sich dabei stets an dem jüngsten in der Flasche enthaltenen Whisky.

Für die Charakteristik des Destillats sind neben der Reifedauer die Holzart des Fasses entscheidend, sein Alter, sein Volumen, seine frühere Nutzung, die geografische Lage und Bauart des Lagerhauses sowie das Mikroklima. Schottische Whiskyfässer bestehen in der Regel aus Europäischer Eiche, werden vor der Nutzung zum Teil ausgeflammt (getoastet), enthielten zuvor spanischen Sherry, portugiesischen Portwein, Brandy, Rum, neuerdings sogar Weißwein oder werden nacheinander in unterschiedliche Fässer gefüllt, um sie mit weiteren Aromen anzureichern.

Lagavulin Whiskybrennerei Islay
© Timo Rapp für Wikipedia unter der Creative-Commons-Lizenz

Wie wichtig die Lage ist, lässt sich an der berühmten Destille Lagavulin auf Islay ermessen. Ihr Lagerhaus grenzt unmittelbar an eine Meeresbucht, bei Sturm klatscht Gischt an die Außenwand. Man ahnt unmittelbar, wie der typisch jodige, medizinische Seetanggeschmack in diesen 16 Jahre gereiften Klassiker kommt.

Der Geschmack von Whisky kann für viele Anfänger übrigens eine derartige Herausforderung darstellen, dass Single Malts jahrhundertelang nur als Rohstoff für Blended Whiskys herhielten. Die Vermarktung als Einzeldestillat begann innerhalb Schottlands erst in den späten 1950ern und auf dem internationalen Markt ab 1963, mit einem Glenfiddich der Traditionsfirma „William Grant & Sons“ aus Speyside. Dem Vorstoß wurden kaum Chancen eingeräumt. Welcher Irrtum! Er gab den Startschuss für den weltweiten Siegeszug des „Wasser des Lebens“.

Am Ende der Lagerzeit ist der Alkoholanteil des Single Malt von ursprünglich etwa 70 Prozent auf eine Fassstärke („Cask Strength“) zwischen 50 und 65 Volumenprozent gesunken: Pro Jahr verdunstet über die Poren der Eichenfässer etwa ein halbes bis ein Prozent des Ethanols – der sogenannte und unter Whiskytrinkern gern romantisierte „Angels’ Share“.

Vor der Flaschenabfüllung werden Fässer einer Destillerie üblicherweise komponiert und mit Brauwasser auf eine Trinkstärke zwischen 40 und 43 Prozent Alkoholgehalt herabgesetzt, um ein möglichst gleichbleibendes, harmonisches Produkt zu gewährleisten. Es gibt jedoch auch Angebote in Fassstärke und Privatabfüller, die einzelne Fässer kaufen und vermarkten. Dem Distinktionsbedürfnis – und der Preispolitik – sind nach oben keine Grenzen gesetzt. Man kann es aber auch unkomplizierter angehen.

Eine durchaus lösbare Aufgabe

Denn ob Duft und Geschmack eines Whiskys nun mit „Honig“, „Butterkeks“, „Vanille“, „Toffee“, „Meersalz“, „Jod“, „Seetang“, „Lagerfeuer“ oder „Räucherspeck“ beschrieben werden, schottische Single Malts weisen eine schier unerschöpfliche Aromenvielfalt auf. Eine Aromenvielfalt, die sympathischerweise ausgekundschaftet werden kann: Aktuell existieren in Schottland 111 Single-Malt-Destillen. Im Laufe eines Menschenlebens ist es durchaus möglich, aus jeder von ihnen ein Glas oder zwei zu verköstigen.

Islay gehört zu den Inneren Hebriden und bildet mit ihren 200 Quadratmeilen das Epizentrum des Whisky-Universums. Der legendäre Ruf der Insel verdankt sich ihrem ausgedehnten Torfvorkommen und acht klangvollen Brennereien: Lagavulin, Laphroaig und Ardbeg mit ihren stark ausgeprägten Torfaromen, sowie Ardnahoe, Bowmore, Bruichladdich, Bunnahabhain, Caol Ila und Kilchoman mit nicht ganz so starken Rauchtönen, doch immer noch sehr kräftigem Geschmack.

Ardbeg begann 1794 als kleine Schwarzbrennerei, bevor die Destillerie 1815 offiziell gegründet wurde. Seit 2004 gehört sie zu Bernard Arnaults Luxusimperium LVMH. Der zehn Jahre in Bourbonfässern gereifte Ardbeg TEN basiert auf sehr stark getorfter Gerste, duftet wie andere Islays nach Rauch, Sole und Jod, schmeichelt dem Gaumen paradoxerweise jedoch mit der Süße von Toffees, Marmelade und Zitronen, bevor sich im Abgang Ackerscholle und Vulkanasche über die Zunge legen. Eine knochentrockene, im „Biss“ fast ölige Ansage. Der perfekte Schlummertrunk.

Auf der anderen Seite der Aromenpalette stehen die Whiskys der Region Speyside. Sie ist das Kernland des Single Malt, mit 48 produzierenden Brennereien findet sich hier fast die Hälfte des gesamten Landes. Die Gerste wird in der Regel wenig bis gar nicht getorft, die Destillate sind elegant, komplex, subtil. Große Namen wie The Glenlivet, The Macallan, Glenfiddich und Glenfarclas sind in Speyside beheimatet.

Einer der sublimsten Speysides ist Longmorn. Die Marke gehört seit 2001 zu Pernod Ricard und ist doch wenig bekannt: Der Whisky wird vornehmlich in Blends eingesetzt (Ballantines, Chivas Regal). Es gibt jedoch Single-Malt-Abfüllungen wie den 16 Jahre gereiften. Er duftet deutlich nach Bratäpfeln mit Rosinen und Eichenholz, kommt am Gaumen trotz seines sehr hohen Alkoholgehalts von 48 Prozent sanft an und entfaltet dort ein unglaublich feines Zusammenspiel aus Malz, Vanille, Honig, Bienenwachs und Trockenfrüchten. Der Körper ist lediglich mittelschwer, der Abgang dafür extrem lang. Durch Zugabe von einigen Tropfen Wasser gewinnt Longmorn 16 Jahre noch. Kein Single Malt für „nebenbei“ – dazu erfordert er zu viel Konzentration und ist zudem sackteuer.

Die preislich erträglichere, stets verlässliche Alternative und ein guter Kompromiss zwischen Speyside und Islay stammt von den Orkneys, den etwa 70 kleinen Inseln vor Schottlands Nordküste. Hier liegt der nördlichste Whisky-Außenposten der Welt, die Brennerei Highland Park. Ihre Geschichte beginnt 1798 mit – natürlich – einer Schwarzbrennerei. 1826 erhielt eine Destillerie auf demselben Gelände ihre Lizenz. Die Highland Park Single Malts bestechen durch ihre Süße von Heidekraut und Honig, gepaart mit etwas Rauch und Seeluft: Das Malz wird gedarrt mit Torf aus einem nahegelegenen, mit Heidekraut überzogenen Moor, die Destille selbst ist von drei Meeresbuchten eingekreist.

Der 12-jährige Highland Park duftet daher nach weichem Rauch und Küste, verrät aber schon den Geschmack nach dunklen Früchten, Backgewürzen, Karamell und Heidekraut. Der Abgang ist mittellang, gemütlich, mit einem buttrigen Mundgefühl und Vanillearomen vom Holz. Ein Whisky zur nachmittäglichen Stärkung, bevor es in die Gummistiefel, das Tweedsakko und auf Wachteljagd geht. Nun ja – Träumen ist erlaubt.

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