Von Würzburg in die Welt: Mit der Gründung des Unternehmens s.Oliver begann eine Erfolgsgeschichte, die auch von Übernahmen geprägt ist.
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Bernd Freier, Gründer des Modeimperiums s.Oliver, ist ein Beispiel für unternehmerischen Erfolg, der mit einer klaren Vision und Beharrlichkeit erreicht wurde. Er wurde am 17. September 1946 in Würzburg geboren. Freier wuchs in einfachen Verhältnissen auf. Die Familie lebte in bescheidenem Rahmen, da der Vater gesundheitlich stark beeinträchtigt aus dem Zweiten Weltkrieg zurückkehrte und früh verstarb. Die Mutter blieb mit mit sechs Kindern zurück. Schon in jungen Jahren zeigte Freier Eigeninitiative: Mit nur sechs Jahren begann er, Zeitungen auszutragen, um die Familie finanziell zu unterstützen.
Nach der Schule absolvierte er zunächst eine Ausbildung zum Karosseriebauer. Doch Mode faszinierte ihn mehr als handwerkliche Tätigkeiten. Anfang der 1960er-Jahre zog er nach Berlin, wo er in einer Boutique am Kurfürstendamm arbeitete. Dort erlebte er hautnah, wie europäische Modetrends die Menschen begeisterten. Der Wehrdienst brachte ihn jedoch zurück in seine Heimat Würzburg, wo er schließlich den Grundstein für seine unternehmerische Laufbahn legte.
Die Gründung von s.Oliver
1969 wagte Bernd Freier den Schritt in die Selbstständigkeit. In der Würzburger Innenstadt eröffnete er eine kleine Boutique namens „Sir Oliver“. Die Namenswahl war eine Anspielung auf Charles Dickens‘ berühmte Romanfigur Oliver Twist, einen mutigen kleinen Jungen. Freier erkannte, dass viele Menschen in der Region Mode aus den großen europäischen Metropolen suchten, die dort jedoch kaum verfügbar war. Er begann, angesagte Kleidungsstücke zu importieren, um diese in seinem Geschäft anzubieten.
Das Unternehmen wuchs schnell. 1975 begann Freier, Madras-Karohemden aus Indien zu importieren und diese erfolgreich an größere Einzelhändler zu verkaufen. Der Stil war damals äußerst gefragt und etablierte Freier als bedeutenden Akteur in der Modebranche. 1978 änderte er aufgrund eines Rechtsstreits mit dem Kölner Dufthersteller 4711 den Namen seines Unternehmens in „s.Oliver“. Dies war der Beginn einer Marke, die in den kommenden Jahrzehnten weltweit erfolgreich wurde.
Expansion und Entwicklung der Marke
Mit dem neuen Namen und einer klaren Wachstumsstrategie setzte Bernd Freier auf Expansion. In den 1980er-Jahren erweiterte er das Portfolio der Marke s.Oliver. 1987 führte er die Linie „Oliver Twist“ ein, die später in s.Oliver Junior umbenannt wurde. Sie richtete sich speziell an Kinder und Jugendliche. 1994 folgte die Linie QS, die jüngere und trendbewusste Kunden ansprach.
Ein weiterer wichtiger Schritt war der Einstieg in den Lizenzmarkt. Ab 1997 begann s.Oliver, Produkte wie Schuhe, Brillen und Accessoires unter der eigenen Marke zu vertreiben. Dies verschaffte dem Unternehmen zusätzliche Einnahmequellen und erhöhte die Markenpräsenz. 2001 übernahm Freier die Marke „comma“, die sich auf Business- und Freizeitmode für Frauen spezialisiert hat. Dies zeigte seine Fähigkeit, das Angebot an den Bedürfnissen des Marktes auszurichten.
Ein Familienunternehmen mit Perspektive
Bernd Freier ist nicht nur Unternehmer, sondern auch Familienmensch. Er hat drei Töchter und einen Sohn. Seit 2012 sind alle Kinder mit jeweils zehn Prozent am Unternehmen beteiligt. Dabei hat die nächste Generation der Familie bereits begonnen, eigene Wege zu gehen. Die drei Schwestern gründeten 2016 das Athleisure-Label KCA-Lab, das auf sportliche Mode setzt. Diese Entwicklung unterstreicht, wie die Familie Freier ihre Leidenschaft für Mode auf unterschiedliche Weise fortführt.
Freier hat die Geschäftsführung seines Unternehmens bereits mehrmals abgegeben und ist aufgrund von Differenzen mit dem jeweiligen Nachfolger jedes Mal zurückgekehrt.
Vermögen und Einfluss von Bernd Freier
Bernd Freiers Erfolg spiegelt sich auch in seinem Vermögen wider. Laut der Zeitschrift Forbes wurde sein Vermögen im Jahr 2024 auf 1,5 Milliarden US-Dollar geschätzt. Damit zählt er zu den wohlhabendsten Persönlichkeiten Deutschlands. Trotz seines finanziellen Erfolgs hält Freier sich weitgehend aus der Öffentlichkeit heraus. Er meidet öffentliche Auftritte und konzentriert sich lieber auf sein Unternehmen und seine Familie.
Herausforderungen und Zukunftsaussichten
s.Oliver hat sich über die Jahrzehnte als eine der führenden Modemarken in Deutschland etabliert. Dennoch steht das Unternehmen – wie die gesamte Modebranche – vor Herausforderungen. Der zunehmende Wettbewerb durch Onlinehändler, der Wandel hin zu nachhaltigeren Geschäftsmodellen und das veränderte Konsumverhalten stellen hohe Anforderungen.
Bernd Freiers Geschichte zeigt, wie Mut, Durchhaltevermögen und ein Gespür für Trends aus einem kleinen Geschäft ein weltweites Modeimperium machen können. s.Oliver ist heute in rund 20 Ländern vertreten und beschäftigt über 5.000 Mitarbeitende. Freier hat es geschafft, nicht nur eine Marke, sondern auch ein Familienerbe aufzubauen. Mit der nächsten Generation, die bereits in den Startlöchern steht, dürfte sein Lebenswerk auch in Zukunft Bestand haben.