Im Osten wurde gewählt – und zwar vor allem für die AfD. Die Wahlen haben nicht nur Folgen für Ostdeutschland.
Bernd von Jutrczenka/dpa
Die Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen, bei denen fünf Millionen Menschen ihre Stimme abgeben konnten, haben insbesondere bei der AfD zu einem starken Ergebnis geführt. Die Partei holt in beiden Bundesländern über 30% der Stimmen. In Thüringen wird die Partei von Spitzenkandidat Björn Höcke zur stärksten Kraft, in Sachsen landet sie auf Platz zwei, knapp hinter der CDU.
Koalitionsbildung wird schwierig
Eine absolute Mehrheit hat die Partei, die in Thüringen vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wird, nicht. Daher ist sie auf Koalitionspartner angewiesen, wenn sie regieren will. Das könnte allerdings kompliziert werden, denn die anderen Parteien schlossen eine Zusammenarbeit mit der AfD aus.
Bundeskanzler Olaf Scholz bezeichnete die Ergebnisse als „bitter“ und forderte die Parteien dazu auf, Koalitionen ohne die AfD zu schließen. „Alle demokratischen Parteien sind nun gefordert, stabile Regierungen ohne Rechtsextremisten zu bilden“, sagte er der Nachrichtenagentur Reuters als SPD-Bundestagsabgeordneter.
„Die AfD schadet Deutschland. Sie schwächt die Wirtschaft, spaltet die Gesellschaft und ruiniert den Ruf unseres Landes“, fügte er hinzu.
Weiterer Gewinner der Wahl: Das BSW
Die Wahlen haben jedoch einen weiteren Gewinner: Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Denn wollen die restlichen Parteien eine Koalition ohne die AfD bilden, wären sie auf das junge BSW angewiesen, das eine Zusammenarbeit mit der AfD ebenfalls ausschloss. Die Partei von Sahra Wagenknecht erhielt in beiden Bundesländern über zehn Prozent der Stimmen.
Die AfD-Vorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla beanspruchen nach den Ergebnissen eine Regierungsbeteiligung. Im ZDF-Morgenmagazin sagte Weidel, die Wähler hätten sich klar für eine Mitte-Rechts-Koalition und eine Beteiligung der AfD entschieden. Sie fügte hinzu, ohne die AfD sei keine „stabile Regierungsbildung“ möglich.
Signal an die Ampel
Abgestraft wurde mit den Landtagswahlen vor allem die Ampel-Koalition. Mit sechs Prozent in Thüringen und sieben Prozent in Sachsen erhielt die SPD von allen Ampel-Parteien noch die meisten Stimmen. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert kündigte an, die SPD werde sich nicht mehr „auf der Nase herumtanzen lassen von anderen, die krachend aus den Landtagen jetzt rausgewählt worden sind“ und bezog sich damit vor allem auf die FDP. Zudem wolle die Partei ihre Politik künftig besser erklären.
Co-Vorsitzende der AfD, Alice Weidel, sagte, die Ampel sollte sich fragen, ob sie überhaupt noch weiterregieren kann. Spätestens nach der Brandenburg-Wahl im September sollte die Frage nach Neuwahlen gestellt werden.
Folgen für Deutschlands Wirtschaft
Als Folge der Wahlen werden auch Sorgen um die deutsche Wirtschaft laut. Wirtschaftsexperten warnen vor allem vor der Abwanderung von Fachkräften. Die AfD stehe für eine Abschottung von Europa, weniger Offenheit und weniger Zuwanderung von Fachkräften, sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, der Nachrichtenagentur Reuters. Er halte es für wahrscheinlich, dass die Ergebnisse zu einer Abwanderung von Unternehmen und Fachkräften führen werde und infolgedessen auch die Anzahl an Insolvenzen steigen werde.
Der Präsident des Digitalverbands Bitkom, Ralf Wintergast, bezeichnet die Wahlergebnisse als ein „Warnsignal“ für die Digitalwirtschaft. „Deutschland muss ein Land bleiben, das für Weltoffenheit und Innovationsfreude steht.“ Beides seien Werte, die weder AfD noch BSW vertreten würden. „Die geplanten Halbleiterfabriken in Sachsen werden wir ohne Fachkräfte aus dem Ausland nicht betreiben können“, sagte Wintergerst gegenüber Reuters. „Solche Spitzenkräfte können ihren Arbeitsort frei wählen“.