Philip Anschutz ist ein Wandler zwischen den Welten: ein Multimilliardär, der wie ein Phantom auftritt; ein Geschäftsmann, der ganze Branchen bewegt, ohne selbst ins Scheinwerferlicht zu treten.

Philip Anschutz © picture alliance / ZUMAPRESS.com | Javier Rojas
Für die einen ist er „der Mann, dem Los Angeles gehört“, für die anderen Amerikas zurückgezogenster Milliardär: Philip F. Anschutz steht selten im Rampenlicht, doch sein Einfluss reicht von Ölfeldern über Eisenbahnstrecken bis zu Konzertbühnen. Mit einem geschätzten Vermögen von rund 16,9 Milliarden US-Dollar (Forbes, 2024) zählt der 84-Jährige zu den reichsten Amerikanern. Trotz dieses Reichtums kennt die breite Öffentlichkeit seinen Namen kaum – und das ist ganz nach Anschutz’ Geschmack. Der extrem medienscheue Unternehmer hat in über fünf Jahrzehnten ein vielseitiges Firmenimperium aufgebaut, das ganze Branchen prägt.
Vom Ölfeld zum ersten Millionen-Erfolg
Philip Anschutz’ Aufstieg begann wortwörtlich im Boden: 1967 entdeckte der damals junge Ölsucher ein großes Öl-Vorkommen an der Grenze von Wyoming und Utah. Doch kurz nach dem Fund geriet das Bohrfeld in Brand – eine Katastrophe, die seine Existenz hätte auslöschen können. In einer filmreifen Rettungsaktion engagierte Anschutz den legendären Feuerbekämpfer Red Adair. Um dessen Honorar bezahlen zu können, verkaufte er Hollywood die Rechte, den lodernden Brand zu filmen. Dieser findige Schachzug brachte ihm 100.000 Dollar ein – genug, um Adair zu bezahlen und das Öl-Projekt zu retten. Der Lohn für das Risiko folgte wenige Jahre später: 1982 verkaufte Anschutz die Hälfte des gigantischen Ölfelds an Mobil Oil und strich rund 500 Millionen Dollar ein. Mit diesem Startkapital legte er den Grundstein für sein Imperium.
Diversifikation: Schienen, Immobilien und Datenleitungen
Anstatt sich auf Öl auszuruhen, diversifizierte Anschutz zielstrebig. Mitte der 1980er-Jahre wandte er sich der Eisenbahnbranche zu. 1984 kaufte er die Denver & Rio Grande Western Railroad, 1988 folgte die Übernahme der Southern Pacific Railroad. Als Southern Pacific 1996 mit Union Pacific fusionierte, wurde Anschutz mit etwa 6 Prozent Anteil zum größten Einzelaktionär des amerikanischen Eisenbahnriesen.
Doch Anschutz dachte bereits weiter: Er erkannte früh das Potenzial der aufkommenden Digitalwirtschaft. In den 1990ern nutzte er die Trassen seiner Eisenbahnen, um Glasfaserkabel zu verlegen – das Rückgrat für die damals boomende Telekommunikation. Über die von ihm mitfinanzierte Firma Qwest Communications ließ er Datenleitungen entlang der Schienen verlegen und verdiente prächtig an der Internet-Infrastruktur. Als Qwest 1997 an die Börse ging, war Anschutz als Hauptaktionär plötzlich mehrfacher Milliardär „auf dem Papier“. Nebenbei baute er sein Immobilien-Portfolio aus: Ihm gehören bis heute weitläufige Ländereien – Hunderttausende Acres Farm- und Ranchland in den Great Plains und im Westen der USA – sowie lukrative städtische Immobilienprojekte.
Sport und Entertainment: ein Imperium der Freizeitindustrie
Besonders bekannt (wenn auch meist hinter den Kulissen) ist Philip Anschutz für sein Imperium im Sport- und Entertainment-Sektor. Er gründete Ende der 1990er die Anschutz Entertainment Group (AEG), die heute zu den weltweit größten Veranstaltern im Sport- und Musikgeschäft zählt. AEG besitzt und betreibt unzählige Veranstaltungsorte – von der Crypto.com Arena in Los Angeles (ehemals Staples Center) bis zur O2-Arena in London – sowie Beteiligungen an mehr als 90 Clubs, Theatern und Arenen rund um den Globus. Auch im Profisport hat Anschutz kräftig mitgemischt: Er war Mitbegründer der Fußball-Profiliga Major League Soccer (MLS) und hielt zeitweise Anteile an sechs verschiedenen MLS-Teams gleichzeitig – darunter LA Galaxy, Chicago Fire und New York MetroStars. In den schwierigen Anfangsjahren der Liga übernahm Anschutz sogar mehrere Clubs parallel und deckte Verluste, wofür man ihn später als „den Retter der MLS“ würdigte.
Heute ist er noch Besitzer von LA Galaxy und Miteigentümer des Eishockey-Teams Los Angeles Kings (NHL). Bis 2021 hielt er zudem einen Minderheitsanteil an den LA Lakers (NBA). Über Tochterfirmen veranstaltet Anschutz Großevents wie das berühmte Coachella-Festival in Kalifornien, das jedes Jahr Hunderttausende Musikfans anlockt. Auch in Deutschland hat der zurückhaltende US-Mogul Spuren hinterlassen: Seine AEG baute und betreibt die Mercedes-Benz Arena (ehemals O2 World) in Berlin, eine der größten Multifunktionshallen Deutschlands, und Anschutz gehörten dort mit den Eisbären Berlin und den (inzwischen aufgelösten) Hamburg Freezers auch zwei Eishockey-Clubs.
Diskret im Hintergrund – und doch überall präsent
Trotz dieser beeindruckenden Bandbreite an Beteiligungen meidet Philip Anschutz konsequent das Rampenlicht. Interviews gibt er so gut wie nie – Berichten zufolge hat er über Jahrzehnte keinerlei Pressegespräche geführt. Öffentlich auf Veranstaltungen sieht man ihn selten, meist überlässt er seinen Managern die Bühne.
Dabei könnte sich der Unternehmer durchaus mit seinen Erfolgen brüsten: Schon 1984, nach seinen ersten Deals in Öl und Bahn, listete Forbes ihn als siebtreichsten Amerikaner. In seiner Heimat Colorado gilt Anschutz als der wohlhabendste Einwohner des Bundesstaates. Er wohnt mit seiner Familie in Denver, doch sein Einfluss strahlt weit über die Rocky Mountains hinaus. Branchenkenner bezeichnen ihn als vielfach begabten „Multimagnaten“, der – ähnlich wie einst J.P. Morgan – quer durch verschiedene Industriezweige ganze Landschaften umgestaltet hat. Gleichzeitig beschreiben ihn Weggefährten als überraschend bodenständig. Anschutz, ein konservativer Christ, lacht darüber, als „Milliardär“ etikettiert zu werden, und soll einmal gescherzt haben, seine eigene Mutter hätte ihn nie so genannt. Lieber bleibt er der „normale“ Phil, der privat Marathon läuft, Tennis spielt und Sonntags in seiner evangelikalen Presbyterianerkirche in der Bankreihe sitzt.
Öffentlich in Erscheinung tritt Anschutz am ehesten durch kulturelles Engagement: Er ist ein leidenschaftlicher Kunstsammler, dessen Sammlung westamerikanischer Gemälde zu den weltweit renommiertesten zählt. Leihgaben aus der Anschutz Collection touren regelmäßig durch Museen von Europa bis China. Zudem sitzt er – meist ohne großes Aufsehen – in den Verwaltungsräten prominenter Kultureinrichtungen wie dem Smithsonian Museum und dem Kennedy Center. Die breite Masse aber kennt eher seine Unternehmensprodukte (etwa Kinofilme wie „Die Chroniken von Narnia“, die seine Firma Walden Media mitfinanzierte) als die Person Philip Anschutz selbst. Das passt zu seinem Naturell: So viel wie möglich bewegen, aber so wenig wie möglich von sich preisgeben.
Mäzenatentum und wohltätiges Engagement
Abseits des Geschäfts ist Anschutz auch als Philanthrop und Mäzen aktiv – wenn auch so zurückhaltend, wie man es von ihm erwartet. Gemeinsam mit seiner Frau Nancy leitet er die Anschutz Foundation, die Projekte in Bildung, Gesundheit und Jugendförderung unterstützt. Über die Jahre hat das Ehepaar hunderte Millionen Dollar gespendet. Ein herausragendes Beispiel: Über 100 Millionen Dollar flossen in den Aufbau des Anschutz Medical Campus der University of Colorado, eines hochmodernen Gesundheits- und Forschungszentrums, das heute seinen Namen trägt. An seiner Alma Mater, der University of Kansas, finanzierte Anschutz Bibliotheken und Sportanlagen – auch dort ziert sein Name Gebäude als Dank für die Großzügigkeit.
Unterprivilegierte Kinder liegen ihm am Herzen: Seine Stiftung fördert christliche Feriencamps für Jugendliche, Stipendien für bedürftige Studierende und den Bau von Krankenhäusern. 2009 erhielt das Ehepaar Anschutz für sein Engagement den renommierten William E. Simon-Preis für philanthropische Führung. Interessanterweise ging Philip Anschutz in den letzten Jahren auch auf Kritiker zu: 2018 spendete er eine Million Dollar an die Elton John AIDS Foundation, eine Organisation, die sich für HIV-Betroffene – vor allem in der LGBTQ-Community – einsetzt. Dieser Schritt wurde in der Öffentlichkeit positiv aufgenommen, gerade weil Anschutz kurz zuvor im Kreuzfeuer der Kritik bezüglich seiner Haltung zu LGBTQ-Themen gestanden hatte.
Politik im Visier: konservatives Engagement aus Überzeugung
Politisch ist Philip Anschutz ein überzeugter Konservativer und Republikaner – auch wenn er das Rampenlicht scheut, nutzt er sein Vermögen durchaus, um Einfluss zu nehmen. Seit den 1980er-Jahren spendete er Millionenbeträge an republikanische Kandidaten und Kampagnen. Bereits seinem Jugendfreund Bob Dole (langjähriger Senator aus Kansas) stand er als Geldgeber zur Seite; später unterstützte er unter anderem George W. Bush bei dessen Präsidentschaftswahlkampf 2000. Mit der Washington Examiner gründete Anschutz 2005 zudem eine konservative Zeitung in der US-Hauptstadt, um politisch-gesellschaftliche Debatten in seinem Sinne mitzugestalten. Auch das traditionsreiche Magazin The Weekly Standard gehörte zeitweise zu seinem Medienportfolio.
Hinter den Kulissen pflegt Anschutz das Image eines „konservativen Strippenziehers“. Seine Clarity Media Group betreibt oder finanzierte mehrere rechte Medienprojekte und Think-Tanks. So ist belegt, dass Anschutz das Discovery Institute – ein Think-Tank, der die umstrittene Lehre des Intelligent Design propagiert – maßgeblich mitfinanziert hat. Seine politische Agenda spiegelt sich auch in der Wahl seiner Spendenempfänger: Laut Analysen flossen fast alle von ihm und seiner Frau in jüngerer Zeit getätigten politischen Spenden an republikanische Parteien, Kandidaten oder Komitees – von republikanischen Senatoren-Kommissionen bis zu Super-PACs, die konservative Anliegen unterstützen. Dieser starke politische Eifer im Hintergrund brachte Anschutz den Ruf ein, ein „kulturkonservativer Patron“ zu sein, der im Gegensatz zu liberal geprägten Teilen der Unterhaltungsbranche steht.
Kritik und Kontroversen
Bei so viel Einfluss bleiben Kritikpunkte nicht aus. Anschutz sieht sich immer wieder mit Kontroversen konfrontiert, die sein zurückhaltendes Image ins Zwielicht rücken. Besonders deutlich zeigte sich das 2017, als bekannt wurde, dass seine Stiftung in der Vergangenheit an ultrakonservative Organisationen gespendet hatte, die gegen LGBTQ-Rechte lobbyieren. In Medienberichten wurde Anschutz prompt als „schwulenfeindlicher Milliardär“ gebrandmarkt; empörte Fans riefen sogar zu Boykotten von Coachella auf, dem Festival in seinem Besitz. Anschutz reagierte ungewohnt deutlich mit einer öffentlichen Erklärung und nannte die Vorwürfe „Fake News“ und „Müll“, betonte, er unterstütze die Rechte aller Menschen unabhängig von der sexuellen Orientierung. Beobachter vermuten, dass auch die großzügige Spende an die AIDS-Stiftung von Elton John Teil seiner Bemühungen war, dieses negative Image zu korrigieren.
Auch Umwelt- und Bürgerrechtsgruppen gerieten mit Anschutz aneinander. Ein Beispiel ist sein geplanter Öldrill im Weatherman Draw in Montana, einem Gebiet mit Felszeichnungen, das Ureinwohner als heilig erachten. Als die US-Regierung 2001 kurz nach Bushs Amtsantritt grünes Licht für Anschutz’ Bohrung gab, schrien Umweltschützer und Indianerverbände auf – sie witterten politischen Lobbyismus. Letztlich lenkte Anschutz 2002 ein, gab die Bohrrechte zurück und überließ das Gelände dem Naturschutz.
Nicht immer jedoch verliefen seine Vorhaben so glimpflich: In der Geschäftswelt eckte er mitunter wegen seines rücksichtslosen Expansionsdrangs an. Die Übernahme und Fusion seiner Southern Pacific Railroad mit Union Pacific nannte die New York Times einmal „das spektakulärste Fusions-Fiasko der neueren Zeit“ – zu holprig lief die Zusammenlegung der Bahngiganten. Und dass Anschutz persönlich an der Börse mit Telekomfirmen Milliarden scheffelte, während einige Aktionäre der Union Pacific dabei leer ausgingen, stieß ebenfalls auf Kritik. Gewerkschaften und linke Gruppen wiederum monieren, Anschutz unterstütze Projekte, die arbeitnehmerfeindlich seien – etwa Filme wie „Won’t Back Down“, die Lehrergewerkschaften schlecht aussehen lassen, oder generelle Spenden an anti-gewerkschaftliche Initiativen. Schließlich sorgte auch sein Engagement in Deutschland für Diskussionen: In Berlin protestierten 2008 Anwohner gegen sein gigantisches Arena-Projekt im Viertel Friedrichshain, einige verspotteten ihn als „amerikanischen Milliardär, der mit Medientricks jede Kritik umschifft“.
Philip Anschutz’ Lebenswerk polarisiert. Bewunderer heben seinen Mut, Weitblick und seine breiten Investitionen hervor, durch die er Arbeitsplätze geschaffen und kulturelle Angebote gefördert habe. Kritiker hingegen zeichnen das Bild eines ultrakonservativen Machtmenschen, der diskret im Hintergrund agiert und dabei eigenen Überzeugungen zum Durchbruch verhilft – gelegentlich auch gegen den gesellschaftlichen Mainstream.