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Der Tankerkönig: John Fredriksens Weg zu Reichtum und Einfluss

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picture alliance/NTB | NTB Scanpix

John Fredriksen begann als Sohn eines Schweißers und stieg zu einem der reichsten Reeder der Welt auf, ohne je eine Universität von innen gesehen zu haben

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Frühe Jahre in Oslo

John Fredriksen wurde am 10. Mai 1944 in einem Arbeiterviertel Oslos geboren. Sein Vater arbeitete als Schweißer, seine Mutter kümmerte sich um den Haushalt. Das Leben in den Nachkriegsjahren Norwegens war geprägt von pragmatischem Wiederaufbau, Mangel an Ressourcen und einem ausgeprägten Zusammenhalt der Gesellschaft. In diesem Umfeld lernte Fredriksen früh, was es heißt, Verantwortung zu übernehmen und Chancen zu ergreifen, sobald sie sich zeigen. Seine Eltern legten großen Wert auf Tatkraft und Eigeninitiative, obwohl sie selbst wenig finanzielle Mittel besaßen.

Schon in seiner Kindheit fiel er durch einen wachen Verstand und ein stark ausgeprägtes Interesse an ökonomischen Zusammenhängen auf. Während andere Kinder ihre Nachmittage beim Spielen verbrachten, erkundigte sich Fredriksen gelegentlich nach Zeitungsberichten über Schifffahrt und Handel. In Oslo war der maritime Sektor allgegenwärtig: Der Hafen zählte zu den Herzstücken des wirtschaftlichen Lebens. Hier spürte der junge Fredriksen bereits eine gewisse Faszination für die weite Welt und die Möglichkeit, mit Handel und Schifffahrt zu Erfolg und Unabhängigkeit zu gelangen.

Seine Schulzeit beendete er zwar mit akzeptablen Noten, doch ein akademischer Werdegang sollte nicht sein Pfad sein. Die Philosophie, die ihm seine Familie vermittelte, war klar: Man könne das Leben nicht allein aus Büchern lernen, sondern müsse die großen Möglichkeiten im echten Berufsleben suchen und nutzen. Rückblickend scheint genau dieser praktische Ansatz den Grundstein für seine spätere Karriere gelegt zu haben.

Ohne Hochschulabschluss zum Branchenaufsteiger

Obwohl er nie ein Hochschulstudium absolvierte, fand Fredriksen früh den Weg in die maritime Welt. Zunächst arbeitete er bei einer Reederei in Oslo, wo er Einblicke in den internationalen Waren- und Personenverkehr erhielt. Anstatt in Hörsälen zu sitzen, beobachtete er im Büroalltag die Abläufe von Schiffscharter, Frachtraten und Versicherungsfragen. Diese täglichen Lektionen im Berufsleben, kombiniert mit seiner angeborenen Neugier, halfen ihm dabei, die komplexen Mechanismen der globalen Schifffahrtsindustrie zu durchdringen.

Ende der 60er-Jahre entschied er sich, in den Handel mit Rohstoffen und Öl einzusteigen. Seine Berufserfahrungen machten ihn zu einem risikoaffinen Kenner des Geschäfts. Er lernte schnell, wie wichtig persönliche Netzwerke und Kontakte in dieser Branche sind. Zudem begriff er, dass der Ölmarkt stets von politischen Einflüssen und geopolitischen Krisen betroffen ist. Dieses Verständnis half ihm später, Chancen zu erkennen und zu nutzen, während andere noch darauf warteten, dass sich die Lage beruhigte.

Etwa zeitgleich zeigte sich erstmals sein unternehmerischer Instinkt. Er wagte sich an kleinere Geschäfte, kaufte Frachtraum auf Schiffen und verpachtete ihn weiter. Was in winzigen Schritten begann, entwickelte sich rasch zu einem systematischen Geschäftsmodell. Seine Fähigkeit, schon vor wichtigen Preisschwankungen einzusteigen oder rechtzeitig auszusteigen, legte den Grundstein für den wirtschaftlichen Aufstieg. Mit Anfang 30 war Fredriksen längst kein unbeschriebenes Blatt mehr: Er hatte sich durch Mut und Fleiß in die Branche eingearbeitet und fiel Kollegen durch seine Hartnäckigkeit auf.

Ein Milliardenvermögen im Wandel der Zeit

Mittlerweile führt John Fredriksen die Ranglisten der reichsten Unternehmer skandinavischer Herkunft an. Sein Vermögen wird, je nach Börsenlage und Marktentwicklung, von Forbes auf rund 16 Milliarden US-Dollar geschätzt. Diese Milliarden kommen jedoch nicht aus einem einzigen Geschäftszweig, sondern aus einem Konglomerat von Beteiligungen. Neben seiner Reederei-Flotte ist Fredriksen in den Bereichen Fischzucht, Offshore-Bohrungen und diversen weiteren Investments aktiv. Sein geschätztes Vermögen schwankte besonders in Zeiten von Ölkrisen und geopolitischen Spannungen, da sein Kerngeschäft – der Transport von Öl – hohen Preisschwankungen unterliegt. Doch genau darin scheint Fredriksen ein Händchen zu haben.

Die größte Tankerflotte der Welt

Den internationalen Durchbruch verdankte Fredriksen seinem Geschick, mit Erdöl zu handeln. In den 70er- und 80er-Jahren nutzte er politische Unruhen im Nahen Osten, um große Frachtraten für Öltransporte zu erwirtschaften. Sein wohl bekanntestes Unternehmen ist Frontline, eine Reederei, die heute eine der größten Tankerflotten der Welt betreibt. Bereits in den 80er-Jahren erlangte Fredriksen den Beinamen „Öl-Tanker-König“, da er gezielt gebrauchte Schiffe aufkaufte und profitabel einsetzte, während andere Marktteilnehmer oft zögerten.

Frontline wurde zu einem Synonym für sein Geschäftsmodell: große Dimensionen, hohes Risiko, noch höhere Ertragschancen. Tatsächlich schwankte der Börsenkurs des Unternehmens in der Vergangenheit immer wieder – je nachdem, wie sich der Ölmarkt entwickelte. Doch Fredriksen zeigte sich als Meister der Antizyklik. Er kaufte Flottenanteile auf, wenn die Preise im Keller waren, und profitierte in großem Stil, wenn der Markt sich erholte. Dieser Ansatz brachte ihm nicht nur wachsenden Reichtum ein, sondern auch den Respekt vieler Geschäftspartner, die seine Strategien als visionär bezeichneten.

Dank seiner weitsichtigen Disposition wuchs sein Einfluss auf die globale Schifffahrtsindustrie beständig. Er verstand, dass der Transport von Rohöl nicht nur eine Frage der Kapazität ist, sondern auch der politischen Stabilität, der Versicherungen und der internationalen Regulierung. Mit einem Netz aus Beteiligungen, Tochtergesellschaften und Kooperationen konnte er sein Imperium auch dann weiter ausbauen, wenn einzelne Märkte stagnierten.

Privatleben zwischen Familie und Exklusivität

John Fredriksen ist Vater zweier Töchter, Kathrine und Cecilie, die in die Fußstapfen ihres Vaters traten und heute in leitenden Positionen seiner Unternehmen tätig sind. Sein Familienleben hält er weitgehend privat; in der Öffentlichkeit erscheint er selten und konzentriert sich auf geschäftliche Themen. Dennoch sind die beiden Töchter immer wieder Gegenstand von Medienberichten, wenn es um Nachfolgeplanungen geht. Einige Beobachter gehen davon aus, dass die Töchter eines Tages größere Verantwortung im Konzern übernehmen, zumal Fredriksen selbst schon mehrfach durchblicken ließ, dass er sich auf seinen Ruhestand vorbereitet.

Seine Wahlheimat hat Fredriksen inzwischen auf Zypern gefunden. Die Entscheidung, sich von Norwegen abzuwenden, fiel bereits in den 2000er-Jahren. Grund dafür waren unter anderem steuerliche Anreize sowie eine insgesamt liberalere Regulierung für Reedereien und internationale Investoren. Kritiker werfen ihm vor, er habe sein Heimatland verlassen, um Steuern zu sparen. Unterstützer argumentieren, es sei ein normaler Schritt im globalisierten Geschäft, der es ihm ermöglicht, sein Imperium effektiver zu führen.

In seinem Alltag genießt Fredriksen offenbar ein luxuriöses Umfeld, das von seiner Yacht bis hin zu hochkarätigen Immobilien reicht. Gleichzeitig legt er Wert auf enge Vertraute, die ihm über die Jahre hinweg loyal zur Seite standen, denn in seiner Branche zählt neben Kapital und Risikobereitschaft auch ein stabiles Vertrauensverhältnis zu Partnern und langjährigen Mitarbeitern.

Einfluss in Gesellschaft und Wirtschaft

Fredriksens ökonomischer Erfolg geht weit über die Schifffahrtsbranche hinaus. Er ist in der europäischen und globalen Geschäftswelt bestens vernetzt, pflegt Kontakte zu Investmenthäusern, Rohstoffhändlern und Staatsfonds. Sein Wort hat Gewicht, wenn es um die Entwicklung der internationalen Seefahrt und deren regulatorische Rahmenbedingungen geht. Viele Anleger, die in die Schifffahrtsbranche investieren, beobachten sein Agieren genau. Sollte Fredriksen plötzlich Tanker verkaufen oder neue Schiffe erwerben, wird dies mit Argusaugen betrachtet, da sein Vorgehen oft als Frühindikator für kommende Marktentwicklungen gilt.

In seiner Heimat Norwegen wird Fredriksen trotz seiner Auswanderung immer noch mit einer gewissen Ehrfurcht betrachtet. Er gilt als einer der erfolgreichsten Söhne des Landes, der zeigt, wie ein Aufstieg vom Arbeiterkind zum Multimilliardär möglich sein kann.

Politische Aktivitäten und Philanthropie

Öffentlich bekannte politische Engagements sind von John Fredriksen nur begrenzt zu verzeichnen. Er ist kein Milliardär, der gern von einem Podium zum nächsten zieht, um seine Meinung zu allen globalen Fragen zu äußern. Vielmehr scheint er diskret im Hintergrund zu agieren.

Spenden an wohltätige Zwecke soll er dennoch leisten. So gibt es Berichte über finanzielle Unterstützungen im medizinischen Bereich. Beispielsweise wird immer wieder von Zuwendungen an Forschungsinstitute gemunkelt, die an Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebsbehandlungen forschen. Allzu große Öffentlichkeitsarbeit betreibt er damit jedoch nicht, möglicherweise, um keine medienwirksamen PR-Kampagnen daraus zu machen. Aus privaten Kreisen heißt es, er halte philanthropische Aktivitäten für eine persönliche Verantwortung, die nicht an die große Glocke gehängt werden müsse.

Dass Fredriksen seine soziale Rolle vorwiegend in der Sicherung von Arbeitsplätzen sieht, wird ebenso berichtet. Sein Imperium beschäftigt tausende Menschen weltweit, vom Schiffsmechaniker bis zum Börsenanalysten. In diesem Kontext argumentieren manche Beobachter, dass sein weitreichender wirtschaftlicher Einfluss indirekt auch gesellschaftliche Folgen hat, beispielsweise durch Steuereinnahmen und Investitionen in Regionen, in denen er operiert.

Kontroversen und Kritik

Die enorme Größe seiner Flotte und sein gewagtes Geschäftsmodell haben Fredriksen nicht nur Bewunderung, sondern auch Kritik eingebracht. In den 80er-Jahren standen einige seiner Schiffe im Verdacht, in illegale Ölgeschäfte verwickelt gewesen zu sein, unter anderem in Zusammenhang mit Sanktionen gegen bestimmte Staaten. Die Vorwürfe konnten nie gerichtsfest bewiesen werden, doch der schwelende Verdacht blieb in Teilen der Öffentlichkeit haften.

Zudem wurden ihm Umweltverstöße und mangelnde Sicherheitsstandards an Bord seiner Tanker vorgeworfen. Zwar haben sich die Sicherheitsbestimmungen in der globalen Schifffahrt seitdem erheblich verschärft, aber für Fredriksen blieben solche Anschuldigungen ein Reputationsrisiko, das er durch regelmäßige Modernisierungen seiner Flotte zu entkräften versucht.

Dennoch: Trotz Kontroversen ist John Fredriksen bis heute eine prägende Figur der globalen Schifffahrt. Sein Ruf als „Tanker-König“ eilt ihm voraus, und sein Erfolg scheint unbestreitbar. In Interviews, die er selten gibt, wirkt er ruhig und überlegt. Er vermeidet öffentliches Prahlen mit seinem Vermögen und konzentriert sich lieber auf die Zahlen und Daten des nächsten Geschäftsabschlusses.


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