Wie haben Sie von e-Residency erfahren?
Sabrina Renz: "Ich bin Mitglied der Wirtschaftsjunioren in Deutschland, die an die Handelskammer angegliedert ist. In diesem Zusammenhang habe ich eine Bundestagsabgeordnete begleitet, um an dem Know-how-Transfer der Wirtschaftsjunioren im Bundestag teilzunehmen und ich habe den estnischen Botschafter zum ersten Mal in Berlin getroffen. Etwa ein halbes Jahr später nahm ich an einer Konferenz in Tallinn teil und hörte von der e-Estonia-Initiative und dem e-Residency-Programm."
Warum haben Sie sich für eine e-Residency beworben?
Sabrina Renz: "Während der Corona-Pandemie stieg die Bürokratie an und die Erreichbarkeit der Behörden verschlechterte sich. Es gab Einschränkungen für Unternehmen im Rahmen von Corona, ohne als Unternehmer einen Ausgleich dafür zu erhalten. Unternehmer standen plötzlich vor noch mehr Hürden. Zu diesem Zeitpunkt begann ich, über Alternativen nachzudenken. Mein Partner kannte den Bewerbungsprozess für die e-Residency. Ich hatte bereits ein Beratungsunternehmen und war an einem weiteren kleinen Unternehmen in der Lebensmittelbranche beteiligt. Dann, Ende 2021, habe ich mich für eine e-Residency beworben. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich aber noch nicht vor, auch in Estland ein Unternehmen zu gründen. Es dauerte noch einige Monate, bis ich schließlich den Schritt wagte und im Februar und März 2022 mein Unternehmen in Estland gründete."Zum Thema
Welche Vorteile hat man als e-Resident, wenn man ein Unternehmen gründet?
Sabrina Renz: "Der erste Vorteil ist, dass man sein Unternehmen komplett online gründen kann. Das Verwaltungsverfahren ist unbürokratisch und die Gründungskosten sind niedrig. Auch die Eintragung ins estnische Handelsregister geht sehr schnell. In meinem Fall habe ich meine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer innerhalb eines Tages erhalten. In Deutschland habe ich zum Beispiel fast fünf Monate darauf gewartet, als ich mein Unternehmen gegründet habe. Während dieser Zeit konnten wir die Maschinen für unser anderes (Produktions-)Unternehmen aufgrund der fehlenden VAT nicht bestellen und infolgedessen nicht produzieren. Ein weiterer Vorteil ist das globale Netzwerk von e-Residenten. Egal wo auf der Welt ich mich befinde, es gibt immer die Möglichkeit, andere e-Residenten zu treffen."
Sie haben eine Untenehmensgründung im Bereich Beratung vollzogen. Was genau bietet Ihre Firma an?
Sabrina Renz: "Wir bieten mit two4how Unternehmerreisen nach Estland, HR Interim Management, Private Equity Beratung und Consulting im Bereich Entrepreneurship an. Unsere Kunden sitzen in Deutschland, aber auch im Ausland, zum Beispiel in Spanien oder in den USA."War es Ihnen wichtig, Ihr Unternehmen standortunabhängig zu gründen? Wenn ja, warum?
Sabrina Renz: "Die standortunabhängige Gründung war mir sehr wichtig. Das habe ich schon während der Pandemie gemerkt. Warum? Ganz einfach. Ein standortunabhängiges Unternehmen zu führen, ermöglicht es mir, ohne Probleme von Zeit zu Zeit umzuziehen. Es gibt mir auch eine Freiheit und Unabhängigkeit, die ich in einem Unternehmen in Deutschland nicht hatte."
Welche Rolle spielt dabei die Bürokratie?
Sabrina Renz: "Die Verwaltung unterliegt gewissen Regeln. Es ist aber wichtig, dass sie auf ein Minimum reduziert wird, um den Menschen so effektiv wie möglich zu dienen und gleichzeitig das reibungslose Funktionieren des Regierungssystems zu gewährleisten. Die Bürokratie ist einer der Gründe, weshalb wir Deutschland verlassen haben. In Estland verstehen sich die Behörden als Dienstleister, die Anfragen schnell und effizient bearbeiten. Egal, wo ich mich auf der Welt befinde, ich kann jederzeit eine Anfrage stellen und erhalte sogar am Wochenende eine Antwort."Können Sie jungen Unternehmern, die sich für e-Residency interessieren, einige Tipps geben und die Vor- und Nachteile aufzählen?
Sabrina Renz: "Um ehrlich zu sein, bin ich seit zwei Jahren e-Resident und habe noch keine Nachteile des Programms feststellen können. Ich würde Jungunternehmern auf jeden Fall raten, sich vorher gut zu überlegen, wie ihr Unternehmen heißen soll. Denn wenn man sich für eine Unternehmensgründung anmeldet, durchsucht das System eine große Datenbank mit Namen. Wenn der gewählte Name bereits existiert, ist es ratsam, Alternativen parat zu haben. Die Erfahrung zeigt, dass dieser Schritt des Gründungsprozesses am längsten dauert. Ich möchte Jungunternehmern auch raten, das Netzwerk zu nutzen und auch die e-Residency-Programme in Anspruch zu nehmen."Sie sind deutsche Staatsbürgerin, sind aber nach Erhalt der e-Residency nach Tallinn gezogen. Warum?
Sabrina Renz: "Bevor mein Partner und ich uns entschieden haben, nach Tallinn zu ziehen, haben wir uns eine Studie des Fraser Institute über den Human Freedom Index angesehen und festgestellt, dass die Schweiz auf Platz eins, Neuseeland auf Platz zwei und Estland auf Platz drei rangieren. Seit einem Jahr leben wir nun hier in Estland und sind sehr glücklich. Die Verbindung zu meiner Heimatstadt Frankfurt ist großartig und es ist einfach, andere Orte in Europa zu erreichen."Wie unterscheidet sich die estnische Geschäftswelt von der deutschen? Was sind im Vergleich zu Deutschland die Vorteile, in Estland Geschäfte zu machen?
Sabrina Renz: "Was mir an Estland am besten gefällt, sind der Unternehmergeist und die Mentalität, die darauf basiert, dass die Leute einfach ihren Job machen wollen. Ich habe mein Büro im Startup Campus in Tallinn. Hier ist immer etwas los. Jeder probiert etwas Neues aus und versucht herauszufinden, ob man noch mehr machen kann. Die Atmosphäre hier ist einfach positiv und innovativ und nicht so zurückhaltend wie in Deutschland. Hinzu kommt, dass die Behörden hier einen wunderbaren Unternehmergeist haben, der es leicht macht, neue Geschäftsideen schnell umzusetzen."Vielen Dank für das Gespräch!
Head of International Public Relations at e-Residency
Tel: +372 5918 1886
Mail: katrin.vaga@eas.ee
Sepise 7
11415 Tallinn
Estonia