Verschiedenes, Musikkultur

Deutscher Musikrat: gebündelte Kraft für die Musik

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Antje Valentin, Generalsekretärin Deutscher Musikrat e. V. und Stefan Piendl, Geschäftsführer Deutscher Musikrat gGmbH © Peter Adamik

Der Deutsche Musikrat fördert und repräsentiert die Vielfalt der musikalischen Kultur in Deutschland. Seit März steht er unter einer neuen Leitung: Antje Valentin ist die neue Generalsekretärin des Deutschen Musikrat e. V. Im engen Schulterschluss mit dem Geschäftsführer der Deutscher Musikrat gGmbH, Stefan Piendl, widmet sie sich den komplexen Herausforderungen im Musikleben.

Das Amt als Generalsekretärin ist Beruf und Berufung – mit großem Gestaltungsspielraum und viel Verantwortung. Die Arbeit des Deutschen Musikrates fortzuführen und auszubauen – das wird eines der vorrangigen Ziele sein. Doch mit welcher Vision? Im Gespräch mit ihrem hauptamtlichen Partner auf Leitungsebene, dem Geschäftsführer der Musikrats-Projektgesellschaft in Bonn, Stefan Piendl, lotet Antje Valentin erste Schritte in dem komplexen Geflecht von inhaltlicher Verbandsarbeit, Musikförderung, politischen Forderungen und finanziellen Herausforderungen aus.

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Liebe Frau Valentin, Sie sind als Generalsekretärin des Deutschen Musikrates berufen worden. Gratulation! Was ist der Deutsche Musikrat und wofür steht er in Ihren Augen?

Antje Valentin: Für mich ist der Deutsche Musikrat die Stimme der Musik der Bundesrepublik Deutschland. Und zwar in allen Ebenen. Die Blaskapelle auf dem Land ist für uns von ebenso großer Bedeutung wie die Kulturförderung der Städte und Länder sowie die Verbindung zur Bundespolitik nach innen und außen. Gleichzeitig sehe ich den Musikrat in der Matrix von Amateuren und professionell Musizierenden, zwischen Musik, Wirtschaft und Nachwuchsförderung. Wir tragen dazu bei, die Voraussetzungen, dass Musik gemacht werden kann, zu gestalten und wir verbinden alle diejenigen miteinander, die Musik machen. Meine Vision ist es, dass viel mehr Menschen musizieren und die sinngebende und verbindende Kraft der Musik entdecken – vor allem in der gemeinsamen Interaktion. Denn hier sehe ich eine riesige gesamtgesellschaftliche Chance, gerade in diesen schwierigen Zeiten. Dabei schätze ich die große Spannbreite musikalischer Aktivitäten sehr und finde, es ist egal, ob es sich um Hip-Hop oder Volkslieder, Seniorensingen oder Community Music, elementares Musiktheater oder Spitzennachwuchsförderung handelt. Die rund 110 Mitgliedsverbände des Deutschen Musikrats bestehen aus Menschen, die für die Musik glühen und ich möchte sie alle noch stärker miteinander in Kontakt bringen, sodass diese Glut im ganzen Land noch intensiver sicht- und vor allem hörbar wird.

Dieses große Feld bearbeitet der Deutsche Musikrat von zwei Standorten aus. Von Berlin – nahe an der Politik. Und von Bonn – wo die politischen Forderungen in konkreter Projektarbeit mit den Ensembles, Wettbewerben und Förderprogrammen erlebbar werden. Herr Piendl, Sie sind der Geschäftsführer der Bonner gemeinnützigen GmbH und damit ein wichtiger Partner für Frau Valentin. Was macht den Deutschen Musikrat so relevant?

Stefan Piendl: Der zentrale Leitgedanke unserer Arbeit lautet: Alles, was wir tun, geschieht für andere. Das bedeutet, dass wir Musikerinnen und Musiker aller Genres, jeden Alters und auf jedem Niveau konkret fördern. Angefangen bei den Kleinsten im Wettbewerb Jugend musiziert und bei Jugend jazzt über unsere Jugendensembles, die jungen Profis im Deutschen Musikwettbewerb und junge Dirigent:innen im Forum Dirigieren bis zu den engagierten Amateurmusiker:innen beim Deutschen Orchester- und Chorwettbewerb. Neue Musik und ihre Entstehung fördern wir im Podium Gegenwart und Popmusik im PopCamp. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht Hunderte oder gar Tausende Musikerinnen und Musiker jeden Alters und in aller Diversität die Angebote des Deutschen Musikrates nutzen, miteinander proben oder Konzerte spielen und Freude an Musik in Gemeinschaft erleben.

Das ist ein äußerst motivierender und inspirierender Gedanke, wenn man für die Musik arbeitet und sich für das Musikleben in unserem Land engagiert.

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Festkonzert 70 Jahre Deutscher Musikrat im Oktober 2023 in der Berliner Philharmonie Peter Adamik

Was sind die aktuellen Themenfelder, denen Sie sich zu stellen haben?

Antje Valentin: Aktuell beschäftigen wir uns intensiv mit dem immensen Mangel an Fachkräften im Bereich der musikalischen Bildung, speziell an Musiklehrer:innen in Schulen und Musikschulen. Dieser Umstand bedroht das Musikleben in seiner Grundlage und ist ein Bereich, dem ich mich mit ganzer Kraft widmen möchte, immer im engen Zusammenspiel mit den Landesmusikräten, Mitgliedsverbänden und unseren Partnern. Außerdem ist das Thema Künstliche Intelligenz herausfordernd und hinterlässt auch im Musikbereich zunehmend Spuren. Drittes Thema ist die zunehmende Diversität der Gesellschaft. Wenn wir die vielen Musikerinnen und Musiker mit Zuwanderungsgeschichte ernst nehmen und ihnen Möglichkeiten der Mitwirkung im pädagogischen und künstlerischen Bereich bieten, kann das auch integrationsfördernd wirken und wiederum der Gesamtgesellschaft guttun.

Stefan Piendl: Musik würde zweifellos auch ohne unser Zutun gespielt werden, oft jedoch sicher auf einem weniger anspruchsvollen Niveau. Dies zeigt sich beispielsweise bei Jugend musiziert: Wenn 20.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer gemeinsam auf ein Ziel hinarbeiten, hat dies eine transformative Wirkung. Viele junge Talente wären weniger motiviert und weniger gefördert, wenn es nicht Programme wie Jugend musiziert gäbe. Unsere Arbeit macht hier einen deutlichen Unterschied, wobei das Verbindende, und das gemeinsame Musizieren für uns von entscheidender Bedeutung sind.

In den letzten Jahren hat sich ein bemerkenswerter Wandel unserer Arbeit vollzogen, auch durch Corona hat sich vieles verändert. Programme wie Neustart Kultur, bei denen wir mit 74 Millionen Euro rund 12.000 Musikerinnen und Musiker unterstützen konnten, bedeuteten auch für uns neue Aufgaben. Darauf folgte der Krieg in der Ukraine und nun der Gaza-Konflikt. Wir haben uns für ukrainische Musikerinnen und Musiker eingesetzt, Patenschaften übernommen, Geld gesammelt und das Bundesjugendorchester hat als Pate das Youth Symphony Orchestra of Ukraine unterstützt. Themen wie Klimawandel und Diversität finden immer stärker Eingang in unser Handeln. Fragen zur Durchführung von Tourneen und deren Nachhaltigkeit beschäftigen uns zunehmend. Der anhaltende Krisenmodus der Gesellschaft spiegelt sich auch in unserer Arbeit wider und verlagert den Fokus vom reinen Musikmachen hin zur Auseinandersetzung auch mit großen außermusikalischen Themen. Wir leben nicht isoliert, sondern sind ein integraler Bestandteil dieser Gesellschaft mit all ihren aktuellen Herausforderungen, die heute viel präsenter sind als noch vor fünf oder zehn Jahren.

Antje Valentin: Dem stimme ich vollkommen zu. Der anhaltende Krisenmodus beeinflusst uns zweifellos. Musik und musikalische Aktivitäten können in Teilen dieser krisenhaften Situation eine Antwort sein, die gesellschaftlichen Zusammenhalt und Resilienz fördert, die wir dringend benötigen.

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Lisa Paus, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend mit einem Jugendensemble beim Berliner Festkonzert Peter Adamik

Haben Sie eine gemeinsame Vision für die Zukunft des Deutschen Musikrates? Ist die Stärkung der sozialen Verantwortung vielleicht die Richtung, in die sie gemeinsam gehen werden?

Antje Valentin: Ich sehe den Deutschen Musikrat in einer noch breiteren gesellschaftlichen Verankerung. Mein Ziel ist es, bisher nicht erreichte Zielgruppen besser anzusprechen, ihre Musik sichtbarer zu machen und sie besser zu vernetzen. Alles, was wir heute unter dem Begriff "Diversity" verstehen, wird sich in 15 Jahren in der Musiklandschaft besser widerspiegeln. Unabhängig davon, ob mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen, mit unterschiedlichsten kulturellen Hintergründen oder verschiedensten Vorkenntnissen sollten Musik und aktives Musizieren selbstverständlich dazu gehören. Musik ist mehr als nur das tägliche Üben eines Instruments, das Erlernen von Noten oder der Besuch von Konzerten. Musik ist auch ein gesellschaftlicher Katalysator, der einen großen Unterschied bewirken kann, zum Beispiel in der Schaffung von Begegnungsmöglichkeiten über die Grenzen der eigenen Community hinaus. Das Erlebnis, gemeinsam zu musizieren oder zu singen transformiert die Interaktionen in einer Gruppe – völlig unabhängig von den Vorkenntnissen, die Mitwirkende mitbringen. Diese grundlegende Einstellung zur Musik zu verändern, von der Spitzenförderung bis hin zur Basis, und für jede und jeden spürbar zu machen, dass er oder sie musikalisch aktiv sein kann, das ist meine Vision und kann uns gesamtgesellschaftlich verändern.

Und welche Bedeutung oder welche Vision haben die Bonner Projekte?

Stefan Piendl: Ich schließe mich Antje Valentins Aussage gerne an. Als Musikrat sind wir ein integraler Bestandteil der Gesellschaft. Wir sind fest davon überzeugt, dass wir durch die Förderung der Musik einen bedeutenden Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt leisten können. Wir wissen aus Erfahrung, dass das gemeinsame Musizieren und einander Zuhören einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft und den gesellschaftlichen Zusammenhalt haben. Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass Musik erklingen kann, dass Musiker:innen unter den bestmöglichen Bedingungen musizieren und gefördert werden, aber auch weniger kulturaffine Bevölkerungsschichten an die Musik herangeführt werden. Für ein lebendiges und vielseitiges Musikland Deutschland. Viele Untersuchungen, auch auf Initiative unseres Deutschen Musikinformationszentrums (miz) stellen immer wieder fest, dass Musik Menschen verbindet, über Alters-, Glaubens-, Sprach- und Nationalitätengrenzen hinweg. Dadurch haben wir auch eine immense gesellschaftspolitische Verantwortung.

Antje Valentin: Genau aus diesem Grund richtet sich unsere Arbeit im Deutschen Musikrat an Musizierende jeden Alters. Wir setzen uns von der frühkindlichen musikalischen Förderung bis hin zur „Musik im Alter“ ein. In diesem Jahr haben wir einen besonderen Schwerpunkt auf das Thema „Musik und Gesundheit“ gelegt. Anlässlich unserer Mitgliederversammlung findet dazu am 18. Oktober in Berlin eine hochrangige Tagung statt.

Stefan Piendl: Unsere Projekte sind gelebte Musikpolitik. Das ist zunächst einmal ein schöner Gedanke, den man gerne zitiert. Es ist natürlich manchmal nicht ganz so einfach, beispielsweise bei der Frage nach Mindesthonoraren für Musikerinnen und Musiker in von uns geförderten Projekten. Grundsätzlich wollen wir das realisieren, aber es ist noch nicht immer möglich.

Wie beabsichtigen Sie die Relevanz des Deutschen Musikrates in der heutigen schnelllebigen Welt noch sichtbarer zu machen und sicherzustellen, dass er sich in den aktuellen Herausforderungen und Bedürfnissen der Musikgemeinschaft in Deutschland anpasst?

Stefan Piendl: Früher nahmen Menschen an unseren Veranstaltungen und unterschiedlichen Angeboten teil, ohne zu wissen, dass der Musikrat der Träger ist. Mit unserem neuen Corporate Design haben wir die Grundlage geschaffen, dass alle Menschen, die in unsere Wettbewerbe, Ensembles und Förderprogrammeinvolviert sind, auch erkennen, dass ihre Aktivitäten direkt vom Deutschen Musikrat ermöglicht werden. Jetzt ist der Musikrat als integraler Bestandteil dieser Aktivitäten sichtbar. Das neue Corporate Design sorgt also schon einmal visuell für eine deutlich verstärkte öffentliche Wahrnehmung der vielfältigen Aktivitäten des Deutschen Musikrates.

Antje Valentin: Kommunikation und Vernetzung sind essenziell für uns – sei es digital, analog, persönlich oder in Hybridformen. Wir streben danach, für all unsere Partner in allen erdenklichen Formaten – auch verstärkt in Social Media – präsent zu sein. Mein Traum ist es, dass alle Mitglieder sich als Botschafter des Deutschen Musikrates, also letztendlich der Musik und ihrer Vielfalt, verstehen.


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