Was Kunst und Wissenschaft von der Renaissance lernen können
Kunst und Wissenschaft werden von vielen ihrer Institutionen eifersüchtig separiert als Sphären, die nichts miteinander zu tun hätten. Eine erzwungene Trennung. Denn Kunst ohne wissenschaftliches Interesse käme über den Status quo ihrer Disziplin nie hinaus; Wissenschaft ohne kreative Innovation verharrte im Bekannten.
Bei beiden Tätigkeiten ist ergebnisoffene, in diesem Sinne "zweckfreie" Forschung treibende Kraft. Man denke an Leonardo da Vinci, der als Prototyp des Renaissancemenschen bei der Erfindung von Fluggeräten oder der Erforschung der Anatomie genauso bahnbrechende Beiträge zur Wissenschaft leistete wie als Zeichner und Maler zur Kultur.
"Künstlerische Forschung" ist daher das seit den 2000er-Jahren wieder stärker verbreitete Anliegen, interdisziplinäre Konzepte zu entwickeln, um die vermeintliche Differenz zwischen Kunst und Wissenschaft zu überbrücken.
Entweder, indem künstlerische Verfahrensweisen als Methoden verstanden werden, die Erkenntnisse erzeugen analog zu jenen der Wissenschaft. Oder indem Künstlerische Forschung grundlegende Überzeugungen des Wissenschaftsbetriebs infrage stellt und durch die eingeforderte Reflexion zur Bildung neuer Theorien beiträgt.
Wie auch immer die Definition ausfallen mag, seit den 2010er-Jahren geriet Künstlerische Forschung in den Fokus etlicher Kunsthochschulen und eröffnet seither sowohl künstlerisch als auch wissenschaftlich tätigen Studierenden akademische Abschlüsse.
Zum Thema
Künstlerische Forschung als Vermittlung zwischen Theorie und Praxis
In welcher Weise aber kann Kunst wissenschaftlich sein? Zunächst hinsichtlich der Methoden. Recherche, Experiment, Modellbildung, Erhebung, Auswertung, Deutung, Thesenbildung et cetera sind Vorgehensweisen, die in beiden Bereichen fruchtbar sind.
Zum zweiten hinsichtlich der Formulierung von Problemlösungen. Auch Kunst kann ihre Prämissen festsetzen und zur Diskussion stellen, ihre Ergebnisse innerhalb eines bestehenden Diskurses verorten, sie veröffentlichen und zur Evaluation freigeben.
Vor allem aber können künstlerisch Forschende komplexe wissenschaftliche Themen gestalterisch konkretisieren. Damit vermitteln sie nicht nur Verständnis für andernfalls abstrakt bleibende Entdeckungen, sondern stellen oft auch herkömmliche Rezeptionsmuster auf den Kopf und stoßen gesellschaftliche Debatten an.
Bewährtes Wissen für die Technologie von morgen
Eine Kunsthochschule, die solch interdisziplinäres Studieren mitsamt der genannten Aspekte unterstützt, ist die Hochschule für Gestaltung (HfG) Offenbach. Künstlerisch-gestalterische Forschung, wie die HfG Offenbach ihr diesbezügliches Engagement nennt, manifestiert sich in unterschiedlichen neu initiierten Projekten der Institution.
So wird die Hochschule den Betrieb der zweitältesten Porzellanmanufaktur Deutschlands, der insolventen Höchster Porzellanmanufaktur (HPM) von 1746, mit neuem Konzept weiterführen. Zur Übernahme gehören die Lagerbestände, Brennöfen, historische Formen, Entwürfe und Werkzeuge. Das tradierte handwerkliche und künstlerische Know-how wird die HfG für Forschung und Lehre, für die Ausbildung der Gestalterinnen und Gestalter von morgen nutzen. In einem Labor sollen Porzellan sowie weitere keramische Materialien erforscht und weiterentwickelt werden. Geplant ist ferner die Gründung eines "Institute for Advanced Material Studies".
Zu den Gründungen der HfG Offenbach gehört auch das Offenbach Institut für Mobilitätsdesign (OIMD). Das OIMD bündelt Forschungs- und Lehrschwerpunkt für eine zukunftsorientierte Verkehrsgestaltung, die Mensch und Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt stellt. Angehende Designerinnen und Designer kooperieren dabei mit Forschenden anderer Disziplinen und Hochschulen, mit Kommunen und Behörden, mit Verkehrsunternehmen und Architekturbüros.
Im Sommersemester 2022 ist zudem ein neues KI-Labor für digitale Forschung an der Schnittstelle zwischen Kunst, Design und KI-Forschung in Betrieb gegangen. Zentraler Bestandteil des Labors ist eine Robotikwerkstatt, die Studierenden die Möglichkeit gibt, mit Technologien wie Physical Computing, Computer Vision und Rapid Prototyping unter Verwendung von 3D-Druck- und CNC-Maschinen sowie Roboterarmen zu experimentieren. Teams sollen hier Gründungsideen erproben und werden von der Entwicklung bis zur Ausgründung betreut.
Das KI-Labor initiiert begleitend Veranstaltungen zur kritischen Reflexion neuartiger Technologien wie Machine-Learning-Programme. In Vorträgen, Workshops, Performances und Ausstellungen lädt die HfG dazu ein, unterschiedliche "intelligente" Systeme im kreativen Kontext zu erkunden und mehr über deren Einfluss auf unsere Welt zu erfahren: Inwieweit lassen sich KI-basierte Algorithmen als Werkzeuge der Kreativität einsetzen? Ist ihre gestalterische Sprache überraschend – oder vielleicht allzu bekannt? Wie viel Statistik steckt in ihrer Ästhetik?
Wer mehr über Künstlerische Forschung an der Hochschule für Gestaltung Offenbach erfahren möchte, findet weitere Informationen auf der Website des Instituts.
Schlossstraße 31
63065 Offenbach am Main
T +49.(0)69.80059-0
F +49.(0)69.80059-109
Mail: kupfer@hfg-offenbach.de
Web: hfg-offenbach.de