Baden-Württemberg nutzt die Öffnungsklausel
Im April 2018 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Wertermittlung von Immobilien im Rahmen der Grundsteuer verfassungswidrig ist. Ende 2019 wurde ein geändertes Grundsteuer- und Bewertungsrecht im Bundesrecht verabschiedet, mit einer fünfjährigen Umsetzungsfrist.
Erstmalig hatten die Bundesländer über eine sogenannte "Öffnungsklausel" die Möglichkeit, ein eigenes Grundsteuergesetz zu verabschieden. Baden-Württemberg hat 2020 von der Öffnungsklausel Gebrauch gemacht, sodass hier ab Anfang 2025 das gesonderte Landesgrundsteuergesetz Baden-Württemberg gilt.
Anders als in allen anderen Bundesländern zieht das Landesgrundsteuergesetz als Bemessungsgrundlage alleine den Bodenrichtwert und die Größe des Grundstücks heran, ohne Berücksichtigung der Bebauung. So spielt es für die Bewertung keine Rolle, ob auf einem Grundstück ein Einfamilienhaus aus den 30er-Jahren, ein Reihenhaus aus den 70er-Jahren, ein Mehrfamilienkomplex, eine historische oder moderne Villa steht – oder ob es unbebaut ist.
Ausschlaggebend sind nur die amtlichen Bodenrichtwerte zum 1.1. 2022, die von den Gutachterausschüssen der Kommunen festgestellt wurden. Für die Berechnung des Wertes der Immobilie wird der Bodenrichtwert mit der Grundstücksgröße multipliziert. Die endgültige Steuerbelastung legen die Kommune durch einen eigenen Hebesatz fest.
Zum Thema
Steht die Berechnung der Grundsteuer in BW im Widerspruch zum Grundgesetz?
Am 11.06.2024 verhandelte das Finanzgericht Baden-Württemberg über die Grundsteuerbewertung. Hintergrund sind gravierende Bedenken, ob das Bodenrichtwert-Modell überhaupt verfassungskonform ist. Vier Verbände unterstützen die Kläger. Diese hatten vorgetragen, dass das Landesgrundsteuergesetz gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz sowie gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip und das Äquivalenzprinzip verstößt.
Ein weiterer Verhandlungspunkt war die Belastung durch die Gesetzesnovelle. Die Kläger befürchten eine deutliche Mehrbelastung von Bewohnern von Ein- und Zweifamilienhäusern, deren Besitzer mit einer überproportionalen, unverhältnismäßigen Besteuerung rechnen müssen.
Der letzte Streitpunkt betrifft die ungeprüfte Übernahme der Bodenrichtwerte durch die Finanzämter. Die Kläger bezweifeln, dass die von der Finanzverwaltung geübte Praxis der Bewertung verfassungskonform ist. Ungereimtheiten ergeben sich etwa aus der Frage, ob die kommunalen Bodenrichtwerte die tatsächlichen Wertrelationen der Grundstücke zueinander abbilden, zumal wertbestimmende Faktoren von den Steuerzahlern nicht selbst in das Bewertungsverfahren eingebracht werden können.
Am Ende der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht wurden die zwei Musterklagen abgewiesen. Die von den Klägern beantragte Revision vor dem Bundesfinanzhof wurde aber zugelassen. Somit geht die juristische Auseinandersetzung um die Landesgrundsteuer in Baden-Württemberg in die nächste Runde.
So alt wie das Grundgesetz – die Institution für Steuergerechtigkeit
Einer der vier Verbände, die sich gegen das Grundsteuermodell in Baden-Württemberg wehren, ist der Bund der Steuerzahler (BdSt) Baden-Württemberg e. V. mit Sitz in Stuttgart.
Interessenten können auf der Webpräsenz des Vereins den Status quo der Musterklagen einsehen und Hintergrundinformationen erhalten. Erhältlich ist zudem eine Vorlage, um einen Einspruch gegen den Grundsteuerwertbescheid beim zuständigen Finanzamt einzureichen. Mitgliedern stellt der BdSt zudem weiterführende Informationsbroschüren in gedruckter Form und im PDF-Format zur Verfügung, etwa ein Gutachten zur Grundsteuerreform durch den renommierten Verfassungsrechtler Professor Dr. Gregor Kirchhof.
Wer sich ausführlich mit der Berechnung der Grundsteuer in BW beschäftigen möchte oder muss, für den ist der kostenlose "Sonderratgeber Grundsteuer" hilfreich. Das Dokument stellt das neue Landesgrundsteuergesetz anhand praktischer Beispiele anschaulich dar und informiert Grundbesitzer über die Auswirkungen. Erhältlich ist der Ratgeber unter der Telefonnummer 08000/767778.
Seit seiner Gründung 1949 ist der Bund der Steuerzahler als Interessenvertretung der Steuerzahler wichtiger Teil des demokratischen Diskurses über die steuerrechtliche und finanzpolitische Ausrichtung der Bundesrepublik. Im Auftrag von rund 200.000 Mitgliedern und Spendern hat die Organisation ein Auge auf die Ausgaben des Staates, achtet auf die effiziente Verwendung des Steuergelds und eine solide Staatsfinanzierung. Sie setzt sich für die faire Belastung durch Steuern und Abgaben ein, prüft, ob Änderungen im Steuerrecht gerecht sind und erstreitet andernfalls auf politischem und rechtlichem Weg Korrekturen.
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