Herr Jahn, Sie waren selbst viele Jahre Führungskraft, haben Projekte und Teams geleitet, Geschäftsführung und Vorstandsvorsitz verantwortet. Seit über zwanzig Jahren arbeiten Sie nun als selbstständiger Speaker, Mentaltrainer und Coach. Können Sie kurz beschreiben, wie es zu diesem Wandel kam?
Einerseits erlebt man in seiner eigenen beruflichen Karriere eine Menge Seminare als Teilnehmer. Viele Veranstaltungen hatten damals leider keinen besonderen Nutzen für mich in meinem Alltag. Da fängt man irgendwann an, sich zu fragen, ob man das nicht auch anders machen könnte. Zum Glück gab es aber auch außergewöhnliche Trainer, die einen motiviert haben, von ihnen zu lernen und sich selbst auf die Bühne zu stellen.
Andererseits habe ich ja mittlerweile alle Höhen und Tiefen als Führungskraft erlebt, sowohl als angestellter Manager und nun auch viele Jahre als Unternehmer. Ich spüre eine große innere Motivation, diese Erfahrungen mit anderen Führungskräften zu teilen und mich mit ihnen darüber auszutauschen.
Sie kennen die Herausforderungen, mit denen Manager heute kämpfen, aus erster Hand, hatten 2014 selbst einen Zusammenbruch. Sie bezeichnen eine Führungsrolle als "Leiden" und "Kampf". Warum diese dramatischen Worte?
Ich bin kein Freund der weichgespülten Worte. So wie ich selbst damals haben Führungskräfte keine Vorstellung davon, was auf sie zukommt, wenn sie einen Führungsjob das erste Mal antreten. Man freut sich auf die angeblich neuen Spielräume der Einflussnahme, vielleicht auch auf den Status oder das gestiegene Gehalt. Erst nach einigen Monaten fällt auf, welchen Preis wir dafür zahlen. Wenn neben dem Zeitmangel dann noch Konflikte mit Mitarbeitenden oder der eigenen Führungskraft dazukommen, steigt der Stresspegel mitunter ins Unermessliche. Das Leiden und der Kampf beginnt. Worte, die ich fast in jeder Veranstaltung eben auch von meinen Kunden höre. Erst wenn wir uns diesem Empfinden ehrlich stellen, können wir Wege aus dem Leiden und vor allem dem täglichen Kampf finden.Veränderungsdruck, hohe Erwartung der Stakeholder, Machtspiele hatten auch Führungskräfte früherer Generationen zu bewältigen. Inwiefern hat sich die Belastung an der Spitze verschärft?
Selbstverständlich gab es auch schon früher einen großen Erfolgsdruck für Führungskräfte, vor allem von Seiten des Unternehmens. Aus meiner Sicht kommen nun allerdings noch die hohen Erwartungen von den Geführten hinzu. In Zeiten von Personalmangel und dem Wettbewerb um die schlausten und besten Köpfe muss ich als Führungskraft nun viel stärker die Bedürfnisse der Mitarbeitenden erfüllen. Neben sehr guter Bezahlung und der Vereinbarkeit von Familie, Freizeit und Beruf wünschen sich heutige Mitarbeitende eine Führungskraft, die wertschätzend kommuniziert, Entwicklungsspielräume bietet und jederzeit ein offenes Ohr hat. Dieser Spagat aus Beziehungsarbeit auf der einen und Leistungserwartung auf der anderen Seite ist ein Spannungsfeld der Neuzeit, in dem nicht wenige Führungskräfte sich aufreiben.Zum Thema
In dieser Situation machen Sie etwas Erstaunliches: Anstatt Tricks zu verbreiten, wie man sich ein dickes Fell und Siegeswillen zulegt, schreiben Sie 2023 einen Ratgeber, der Manager zu mehr Gelassenheit, gar "Leichtigkeit" auffordert. Das müssen Sie erklären.
Weil eben Tricks für ein dickes Fell nur von kurzer Haltbarkeitsdauer sind. Ich selbst musste auch erst über die Jahre lernen, dass Gelassenheit, wohlgemerkt nicht mit Resignation zu verwechseln, der Schlüssel zu wahrer Führungsstärke ist. Gelassenheit ermöglicht, sich emotional ruhig auf die täglichen Herausforderungen einzulassen und die richtigen Entscheidungen zu treffen. Erst aus der Gelassenheit heraus können wir eine gewisse Leichtigkeit für unseren stressigen Führungsalltag entwickeln. Dabei weniger am eigenen Siegeswillen, vielmehr an konstruktiven Lösungen für alle Beteiligten zu arbeiten, ist für mich ein entscheidender Erfolgsfaktor erfolgreicher Führung. Mein Credo: "Wer mehr gewinnen will, sollte weniger besiegen wollen!" hat so schon unzähligen Führungskräften zu mehr Leichtigkeit verholfen.Ergänzend zum Buch bieten Sie für Interessenten die vertiefende Masterclass "FührungsKraft" an. Was sind die wichtigsten Erkenntnisse, die darin vermittelt werden?
Wir schauen uns dort individuelle "Kampfplätze" an und entwickeln Lösungen, die wirklich im Alltag umsetzbar sind. Führungskräfte werden nach der Masterclass mit einer hohen Klarheit ihre verschiedenen Funktionen wahrnehmen und kommunizieren können. Sie werden mit mehr Gelassenheit und Souveränität die unterschiedlichsten Persönlichkeiten führen und eine hohe Überzeugungskraft in schwierigen Führungssituationen zeigen. Vor allem werden sie durch eine größere Moderationskompetenz die eigene Produktivität und die des gesamten Arbeitsumfeldes steigern. Und das alles mit weniger Kampf und Stress.
Inwiefern spielt Humor in Ihrer Arbeit ein Rolle? Die Frage stellt sich, weil die Testimonials auf Ihrer Website häufig Ihren Witz erwähnen.
Humor ist aus meiner Sicht existenziell für Souveränität, Überzeugungskraft und Leichtigkeit. Wenn wir den Problemstellungen des Alltags konstruktiv begegnen wollen, dürfen wir den Humor nicht gänzlich dabei verlieren. Vor allem über uns selbst und unsere Schwächen lachen zu können, entspannt den Führungsalltag enorm, zeigt unsere Menschlichkeit und schafft Verbindung zu unserem Gegenüber. Als Experte habe ich mich nie als Prediger und Allwissender verstanden. Meine Teilnehmer dürfen sich in einer humorvollen und entspannten Atmosphäre durch meine Impulse selbst wiedererkennen, über sich und uns alle schmunzeln und dann mit Erkenntnissen motiviert in den Alltag zurückkehren. Tiefgang und Humor schließen sich für mich nicht aus. Ganz im Gegenteil: Sie sind zusammen vereint der Erfolgsfaktor für Lernen und persönliches Wachstum.Abgesehen von der Inspiration, die Teilnehmer aus Ihren Veranstaltungen mitnehmen – lässt sich der Erfolg der Methode "Leichtigkeit" bemessen? Gibt es konkrete Beispiele, wie Klienten ihre Führungsverantwortung dadurch besser wahrnehmen konnten?
Zunächst ist Leichtigkeit aus meiner Sicht ja keine Methode, sondern eher ein Ergebnis oder eine Begleiterscheinung, wenn wir zu mehr innerer Stabilität und Souveränität finden. Teilnehmer berichten oft überrascht und begeistert, dass sie durch die neu gewonnene Leichtigkeit plötzlich viel erfolgreicher mit sonst eher schwierigen Mitarbeitenden kommunizieren. Wer sich selbst und anderen weniger beweisen muss, ist flexibler in der Lösungssuche und kann damit viel mehr im Führungsalltag überzeugen.Sehr gute Mitarbeiter können gewonnen und vor allem gehalten werden. Viele Führungskräfte berichten auch von einer signifikanten Steigerung der eigenen Produktivität. Wenn Führung leichter wird, haben letztendlich alle Beteiligten weniger Stress, sind motivierter und bleiben vor allem länger gesund.
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