Einst gelobt, nun gescholten: Deutschlands Exportüberschuss eckt an

Die deutsche Wirtschaft ist auf Erfolgskurs – und das seit vielen Jahren. Scheinbar unbeeindruckt von der Eurokrise stehen die Weichen auf Wachstum. Nicht zuletzt dank deutscher Exporte. 2013 lag allein im ersten Halbjahr der Leistungsbilanzüberschuss bei 7,2 Prozent der Wirtschaftsleistung. Was dem laut Ifo-Institut „größten Kapitalexporteur der Welt“ in der Vergangenheit viel Lob einbrachte, stößt nun aber zunehmend auf Unmut – sowohl in Brüssel als auch außerhalb der EU.

Prominente Kritik kommt unter anderem aus den USA: In einem Bericht des Washingtoner Finanzministeriums wird Deutschlands Wirtschaftspolitik der letzten Jahre scharf angegriffen. Die regelmäßigen Rekordüberschüsse würden die restlichen EU-Länder stark belasten. Deutschlands vergleichsweise schwacher Konsum und die Stärke bei den Exporten würden die wirtschaftlich schwächeren Länder der Eurozone behindern.

Ähnliche Töne kamen von David Lipton, Vizechef des IWF. Deutschland solle sich künftig verpflichten, seine Exportüberschüsse zu reduzieren. Die Bundesregierung müsse eine konkrete Zielgröße festlegen, die nicht mehr überschritten werden dürfe.

Auch innerhalb der EU steht Deutschland in der Kritik: EU-Währungskommissar Olli Rehn verwies in seiner Kritik auch auf den festgelegten Referenzwert von sechs Prozent, der nun bereits das siebte Jahr in Folge überschritten wurde. Gegebenenfalls müsse es eine genaue Untersuchung des Sachverhalts durch seine Behörde geben. Fällt der Bericht negativ aus, drohen Deutschland Bußgelder in Milliardenhöhe. Deutschland, so Rehn, müsse nach wie vor stärker seine Binnennachfrage fördern, die Löhne von Arbeitnehmern erhöhen und mehr in die Infrastruktur investieren.

In Deutschland selbst scheinen die Vorwürfe weitestgehend auf Unverständnis zu stoßen. Als „nicht nachvollziehbar“ fertigte beispielsweise das Bundeswirtschaftsministerium die US-Kritik ab. Die Überschüsse seien Ausdruck der starken Wettbewerbsfähigkeit. Auch Vertreter der Exportwirtschaft selbst sehen sich nur ungern als Täter: „Kunden ordern unsere Waren […], weil wir im Qualitäts- und Leistungsvergleich vorne liegen“, so Anton Börner, Präsident des Exportverbands BGA. Er sieht eher die südeuropäischen Länder in der Pflicht, Reformen konsequenter umzusetzen und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.

Wie die neue Bundesregierung langfristig reagieren wird, bleibt abzuwarten. Es ist in jedem Fall schwierig, die Vorwürfe der EU und USA komplett zu ignorieren. Ein Großteil der Exporte ging nämlich nicht ins außereuropäische Ausland, sondern in andere EU-Länder: Spanien, Italien und Co. gehören nach wie vor zu den stärksten Abnehmern deutscher Waren – und nehmen teilweise neue Schulden auf, um ihre Binnennachfrage stillen zu können. Der Vorwurf, dass hier ein wirtschaftliches Ungleichgewicht innerhalb der EU entstünde, ist also durchaus gerechtfertigt.

Eines steht fest: Die Problematik der Exportstärke wird die Bundesregierung auf eine harte Probe stellen. Immerhin könnte die Debatte zu mehr Förderung und Investitionen im Bereich des Bildungswesens und der Infrastruktur führen.

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